Immer Ärger in vollen Zügen
Großer Bahnhof in Wien-Floridsdorf, an einem Werktag zwischen 7 und 8 Uhr in der Früh. Viel Verkehr. Die Züge aus Gänserndorf, Wolkersdorf, Mistelbach, Hollabrunn und Stockerau bringen auch heute Tausende Pendler in die Hauptstadt. Zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen.
Kein Sitzplatz
Gedränge, Gestoße am Bahnsteig. Die Menge drängt in den nächsten Zug. Der sieht auch innen nicht ganz so sauber und aufgeräumt aus wie die Züge in der ÖBB-Werbung. Kein Wunder, hier gibt es während der Stoßzeit auch keine freien Sitzplätze.
Die Fensterscheiben sind vom Atem der Zusammengepferchten angelaufen.
Gewiss, es hat sich auf den Schienen aus dem Speckgürtel von Wien rein in die Stadt vieles verbessert: Die Züge verkehren häufiger als noch vor einigen Jahren, sind auch nicht mehr so oft verspätet. Und die Zuggarnituren sind deutlich moderner.
Und doch klagen nach dem Fahrplanwechsel im Dezember viele Pendler der Arbeiterkammer und den Fahrgast-Vertretungen ihr Leid. Jene, die nicht mit der Westbahn fahren können, und das sind nicht wenige, kritisieren, dass sie persönlich wenig von der viel beworbenen Zeitersparnis zwischen Wien und St. Pölten haben.
Nach nur wenigen Fahrminuten beginnen die Körper unterhalb der dicken Winterjacken zu dampfen. Der unabsichtliche Rempler vom Nebenmann trägt auch nicht zur Verbesserung der Laune bei. Handelskai. Weiterhin kein einziger Sitzplatz frei.
Den aufgestauten Ärger in den Zügen kennen auch Thomas Hader und Thomas Kronister, die für die Arbeiterkammern für Wien und Niederösterreich arbeiten und derzeit gut 100 Briefe durchackern. „So viele hat es nach einem Fahrplanwechsel noch nie gegeben“, sagt Hader. „Die Leute haben sich mehr erwartet“, ergänzt Kronister.
Die Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs sei in der Ostregion mit großen Hoffnungen einhergegangen. Doch die blieben vor allem auf den Nebenstrecken weiterhin so gut wie unerfüllt.
Rush hour auch am Praterstern. Rasch steigen die einen aus und die anderen ein. Weiterhin kein einziger Sitzplatz frei. Der Alltag der meisten Pendler ist inzwischen wieder frei von Illusionen. Die meisten wirken müde.
„Was helfen uns die Sparschienen nach Berlin oder Ljubljana“, raunt einer in der Menge, „wenn Preis und Leistung für unsere Wochenkarten in keinem angemessenen Verhältnis stehen?“
Frische Luft
Auch der Zugbegleiter hat es in der Früh alles andere als leicht. Langsam, geduldig schiebt er sich an all den Stehenden vorbei.
Endlich Wien-Mitte!
Aussteigen, kräftig Luft holen – und neue Hoffnung schöpfen. Noch in dieser Woche wollen sich Vertreter der AK und der ÖBB zu einem Informationsgespräch treffen. Erfahrungsgemäß wird dabei die eine oder andere Verbesserung ausgehandelt.
Nicht nur bei den Arbeiterkammern für Wien und Niederösterreich sind Beschwerden eingegangen, auch bei Fahrgast-Vertretungen in den Bundesländern:
Kein Parkplatz Von St. Pölten nach Wien geht es auf der neuen Westbahn-Strecke tatsächlich ruck-zuck. Dafür finden Pendler beim Bahnhof in St. Pölten keinen freien Park-&-Ride-Parkplatz.
Nebenbahnen Stellvertretend für so viele, die sich über Einstellungen von Nebenbahnen beklagen, kritisiert ein Pendler: „Der Zeitgewinn auf der Westbahn in Ehren, aber versuchen Sie einmal, von St. Pölten ins Triestingtal zu gelangen. Ich wünsche Ihnen dafür viel Glück!“
Langsamer Viele Beschwerden kommen von Benützern der Pottendorfer Linie. Schon seit dem Jahr 2006 wird sie langsamer statt schneller.
Weniger Pendler an der alten Westbahn-Strecke, etwa in Weidlingau oder Hadersdorf, klagen darüber, dass ihnen Züge gestrichen wurden.
Nur mit dem Wagen Die Zugverbindungen von und nach Salzburg sind an den Tagesrändern so wenig attraktiv, dass der Besuch einer Abendveranstaltung (Theater, Weiterbildung) nur mit einem Auto möglich ist. Dafür fahren Bus und Bahn nach Zell am See teilweise parallel.
Schaffnerlos Viele beklagen auch, dass man sich weder im Zug noch auf dem Bahnhof richtig informieren kann. Und dass sie bei Verspätungen nicht oder auch falsch informiert werden.
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