Polit-Poker innerhalb der Wiener ÖVP: Ruck geht All In

Einen Lauf hat er nicht gerade, der Wiener Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck. Bei der Wirtschaftskammerwahl hat sein Wirtschaftsbund einige Fachgruppen verloren. Und gestern ist sein Versuch, Döblings Bezirksvorsteher Daniel Resch als neuen Wiener ÖVP-Chef zu installieren, gescheitert.
Ein Zeichen dafür, dass Rucks als einzementiert gegoltene Machtposition doch erhebliche Risse bekommen hat.
Gewonnen hat nämlich nicht nur Markus Figl, der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, sondern mit ihm seine Mitstreiter – ausgerechnet jene, die dem Dunstkreis des bei der Wahl gescheiterten Karl Mahrer und seinem Wahlkampfmanager Peter Sverak zuzuordnen sind. Ruck hat also gegen die Verlierer-Allianz den Kürzeren gezogen.
Dass Resch dafür Vizebürgermeister werden soll, sollte die ÖVP in die Stadtregierung mit der SPÖ schaffen, ist vor allem eines: Die Möglichkeit für Ruck, sein Gesicht nach außen zu wahren. Um die Partei dazu zu bringen, sich auf den Figl-Resch-Kompromiss einzulassen, soll sich der Wirtschaftsbündler zu einer vielleicht etwas übereilten Aussage hinreißen haben lassen: „Ich bringe euch die Regierung.“ Das wird dem KURIER von mehreren Teilnehmern erzählt.
Dass er das schafft, will am Dienstag kaum einer glauben. Zu verlieren haben seine Kritiker aber nichts: Innerparteiliche Querschüsse von Ruck sind bis Ende der Sondierungsverhandlungen nicht zu erwarten. Und wenn er wider Erwarten sein Versprechen einlösen kann, gewinnt die Partei an Einfluss. Selbst Ruck-Vertraute sagen, dass es ein kluger Schachzug war, ihn quasi zu zwingen, sich zu beweisen.
Wie weit geht die Freundschaft?
Ruck hat bekanntermaßen ein ausgesprochen gutes Verhältnis mit dem roten Bürgermeister Michael Ludwig. Dass Ruck seit Langem langem dafür kämpft, die ÖVP in die Regierung zu bringen, ist ein offenes Geheimnis. Der Schönheitsfehler: Der Bürgermeister entscheidet nicht allein über seinen Koalitionspartner – und die Neos auszustechen, wird ein Kraftakt. Das innige Verhältnis allein wird dem Strategen Ludwig nicht reichen, um seinem Freund aus der Patsche zu helfen, in die er sich selbst manövriert hat. Ruck muss jetzt hoffen, dass sich Pink und Grün zu teuer verkaufen und einige inhaltliche Gemeinsamkeiten von ÖVP und SPÖ, etwa der Lobautunnel, schwerer wiegen als andere Überlegungen.
Oder Ruck hat – auch das ist nicht auszuschließen – noch ein Ass im Ärmel.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Die Wirtschaftskammer Wien ist die gesetzliche Standesvertretung der Unternehmer der gewerblichen Wirtschaft zur Wahrnehmung ihrer Interessen und zur Mitwirkung an der einschlägigen Gesetzgebung in Wien. Die Kammer gliedert sich in die sieben Sparten: Gewerbe und Handwerk, Industrie, Handel, Bank und Versicherung, Transport und Verkehr, Tourismus und Freizeitwirtschaft und Information und Consulting.
ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.
SPÖ steht für Sozialdemokratische Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1889 in Hainfeld (NÖ) als Sozialdemokratische Arbeiterpartei, ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung. Die Parteifarbe ist Rot.
In Österreich zählt die SPÖ zu den sogenannten linken Parteien; im Grundsatzprogramm von 1998 bekennt sie sich zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Säulen der Partei sind auch die Vertreter aus Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Seit 1945 stellt die Wiener SPÖ durchgehend den Bürgermeister – aktuell ist das Michael Ludwig.
Der SPÖ-Politiker Michael Ludwig (Jahrgang 1961) ist seit 2018 Wiener Bürgermeister. Aufgewachsen ist Ludwig in einem Gemeindebau in Floridsdorf. Der 21. Bezirk hat seine politische Laufbahn geprägt: Der studierte Historiker startete dort 1994 als Bezirksrat. Später war er Wohnbaustadtrat unter seinem Vorgänger Michael Häupl. Ludwig gilt als scharfer Kritiker des Rechtskurses der FPÖ, insbesondere deren Bundeschef Herbert Kickl. In seiner ersten Regierungszeit koalierte er mit den Wiener Neos.
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