Notkompetenz des Wiener Bürgermeisters soll reformiert werden
Vor einem Jahr war sie höchstens intimen Kennern der Wiener Stadtverfassung ein Begriff: Die Notkompetenz des Bürgermeisters. Mit ihr kann der Stadtchef in dringlichen Fällen Entscheidungen treffen, wenn das Zusammentreten des Stadtsenats, des zuständigen Ausschusses und des Gemeinderats nicht abgewartet werden kann. Diese Gremien müssen aber unverzüglich mit einer nachträglichen Genehmigung betraut werden.
Es ist vor allem das Wörtchen „unverzüglich“, das im Zusammenhang mit der Causa Wien Energie in den vergangenen Monaten zum Zankapfel wurde. Denn nachdem Michael Ludwig am 15. Juli des Vorjahres per Notkompetenz 700 Millionen Euro freigab, um dem in finanziellen Schwierigkeiten geratenen Energieversorger zu helfen, sollte es bis September dauern, bis diese Organe mit der Angelegenheit beschäftigt wurden. Sehr zur Empörung der Opposition, die in dem Vorgehen des Bürgermeisters einen Versuch sah, die unangenehme Causa zu vertuschen.
Sommerpause
Dieser wiederum beteuerte, korrekt gehandelt zu haben. Wegen der Sommerpause hätten Stadtsenat, Gemeinderat und der zuständige Ausschuss erst im September wieder getagt. Insofern seien sie sehr wohl unverzüglich informiert worden.
Vor diesem Hintergrund fordert nun die ÖVP eine Reform der Notkompetenz. „Die jetzige Regelung lässt einen riesigen Interpretationsspielraum offen, den die SPÖ weidlich ausgenützt hat“, sagt Klubobmann Markus Wölbitsch.
Markus Wölbitsch, ÖVP
In einem Initiativantrag hat die ÖVP nun mehrere Änderungsvorschläge für die betreffenden Passagen in der Stadtverfassung aufgelistet. Demnach habe der Bürgermeister Stadtsenat, Ausschuss und Gemeinderat „spätestens binnen 24 Stunden über den Inhalt der getroffenen Verfügung unter Anschluss des Beschlussaktes auf elektronischem Weg zu informieren“.
Der ÖVP-Entwurf sieht weiters vor, dass viel ausführlicher als bisher begründet werden muss, warum die Notkompetenz zum Einsatz kommt. So muss zum Beispiel zur Belegung der Dringlichkeit angeführt werden, bis wann genau die jeweilige Entscheidung getroffen werden musste. Zudem sieht der Entwurf klarere Regeln für Umlaufbeschlüsse vor, mit dem die zuständigen Organe im Bedarfsfall Entscheidungen treffen können.
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Bereits in der heutigen Landtagssitzung wird die ÖVP einen entsprechenden Dringlichen Antrag einbringen. Auch die Grünen hatten in der Vorwoche eine Präzisierung der Notkompetenz gefordert.
Viel wichtiger wird es aber für die ÖVP sein, die Regierungsparteien von ihrem Vorschlag zu überzeugen. SPÖ-Gemeinderatsvorsitzender Thomas Reindl ist zwar grundsätzlich gesprächsbereit, sieht aber mögliche Detailprobleme im ÖVP-Konzept. „Auch die Bezirksvorsteher haben eine Notkompetenz. Es stellt sich die Frage, was eine Änderung für sie bedeutet.“
Reindl betont, dass die verzögerte Befassung der Gremien nur wegen der Sommerpause erfolgt sei. In den restlichen zehn Monaten würden bis zur nächsten Ausschusssitzung maximal vier Wochen verstreichen.
Ähnlich argumentiert auch Neos-Gemeinderat Stefan Gara, fügt aber hinzu: „Wir sind hinsichtlich einer Reform in Verhandlungen, die Frist für die Information könnte dabei ein Thema sein. Man muss sich diesen Punkt noch im Detail anschauen.“
Experte begrüßt Idee
Positiv bewertet der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer den ÖVP-Entwurf. „Das kann man schon so machen.“ Die Bedenken der SPÖ teilt er nicht: „Ich sehe nicht, dass man bei einer Reform der Notkompetenz auch die Regeln für die Bezirksvorsteher ändern muss“, sagt er. „Eine Einheitlichkeit ist hier nicht notwendig.“
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