Neuer S-Bahntunnel: Warum Wien nach München blicken sollte
Die Rundum-Kulisse ist die Pracht der Münchner Innenstadt: der Dom, alte Bürgerhäuser, Geschäftskomplexe. Und mitten drin eine riesige Baustelle, zum übrigen städtischen Treiben mit Wänden abgeschirmt. Dort wird in 40 Metern Tiefe eine Haltestelle für die neue S-Bahnstrecke durch die Stadt errichtet. Im Jahr 2026 will man damit fertig sein. Dann soll auf der neuen Stammstrecke für die S-Bahn der Betrieb aufgenommen werden, die derzeitige Überlastung des S-Bahn- und U-Bahnnetzes ein Ende haben. Verlaufen wird die neue Strecke größtenteils unter der Stadt, zum Teil sogar unterhalb der U-Bahn.
Mit großem Interesse verfolgten diese Woche Niederösterreichs Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) und Wolfgang Schroll, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Ost-Region (VOR), die regen Bautätigkeiten im Zentrum von München. Sie würden es gerne sehen, dass auch durch Wien eine 2. Stammstrecke für die S-Bahn errichtet wird. Entwürfe dazu – inklusive einer neuerlichen Untertunnelung der Wiener Innenstadt – wurden vom VOR bereits geliefert. Richtigen Applaus gab es dafür von der Bundeshauptstadt nicht. Eher Skepsis, ob so ein Schritt notwendig ist.
In Niederösterreich hingegen ist man überzeugt davon. „Die heurige Infrastruktur ist für die Nachfragesteigerung in 10 bis 15 Jahren nicht ausreichend“, heißt es dazu in einem Papier des VOR. Dass die Diskussion schon jetzt geführt und abgeschlossen werden muss, zeigt das Münchner Beispiel. Auch dort musste die Freistadt erst vom Umland überzeugt werden, dass dieses Großprojekt – man rechnet mit Kosten von rund 3,8 Milliarden Euro – notwendig ist, um den Titel „Stauhauptstadt“ vergessen zu lassen. Mittlerweile steht das Projekt in München trotz der großen und langen Bautätigkeit außer Streit.
Treffen mit Verkehrsminister
Schleritzko und sein Team – darunter Mobilitätsbeauftragter Werner Pracherstorfer – trafen sich zu dem Thema auch mit Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU). Dieser ist von der neuen S-Bahnstrecke voll überzeugt: „Die zweite Stammstrecke durch München ist Voraussetzung für eine bessere Anbindung der gesamten Metropolregion an die Münchner Innenstadt. Mit dem Bau wird nicht nur die dringend erforderliche zusätzliche Kapazität im Kernbereich des Münchner S-Bahnsystems geschaffen, sondern sie ermöglicht auch, dass die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs mit der Entwicklung der Metropolregion mithalten kann.“
Diese Ansage wird vom VOR auch für Wien und die Region rund um die Bundeshauptstadt gemacht. Schleritzko: „Was für München und für Bayern gilt, gilt für uns im Verkehr nach Wien. Region und Stadt müssen als eine Lebensregion verstanden werden und der Verkehr über die Verwaltungsgrenzen hinweg gedacht werden.“ Dazu finden jetzt auch laufend Gespräche statt. Im VOR sind Wien, Niederösterreich und das Burgenland vertreten. Auf politischer Ebene hat sich Schleritzko zuletzt mit Wiens Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) getroffen. Weitere Gespräche, etwa mit Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) werden nun folgen.
Niederösterreich muss Wien ins Boot holen, um den Bund zu überzeugen, dieses Großprojekt in Angriff zu nehmen. „Wir wollen nicht Druck auf Wien ausüben, wir wollen die Wiener für eine zweite S-Bahnstammstrecke begeistern“, sagt Schleritzko. Überzeugen muss man auch noch die ÖBB, denn dort sieht man derzeit keine Notwendigkeit für einen zusätzlichen S-Bahntunnel.
Kommentare