Rot-Pink II ist fix: Neos feiern sich und ihre neue „Marktherrschaft“

Schon im Video-Trailer, der die Mitgliederversammlung der Wiener Neos am Samstag einläutete, war klar: Die Euphorie über das neue Ressort, das die Neos der SPÖ in den Koalitionsverhandlungen abringen konnten, ist groß. Neben Bildung und Integration werden die Pinken künftig für „unsere geliebten Wiener Märkte“ verantwortlich zeichnen. „Wie cool ist das?“, fragte ein sichtlich erfreuter Bildungsminister Christoph Wiederkehr in die Runde.
Die Märkte, deren Verlust den roten Regierungspartner offenkundig schmerzte, waren das einzige Thema, das in dem Video in Bild und Wort explizite Erwähnung fand. Wie beim gemeinsamen Regierungsprogramm mit der Wiener SPÖ blieb man also vage. Ein Umstand, der etwa bei Parteimitglied Stephan Mittelbach für Ärger sorgte: Offen monierte er, die 191 Seiten seien zu unkonkret. Es werde zu viel evaluiert und zu wenig „das rote System“ aufgebrochen. „Die Stadt ist pleite und die SPÖ spielt mit uns“, sprach er sich gegen den Koalitionspakt aus.

Dieser nämlich musste nach dem Video-Trailer und den zahlreichen – überwiegend positiven – Wortspenden noch abgesegnet werden.
Keine Personaldiskussion
Doch nicht nur über die Regierungsbeteiligung an sich, auch über Wiens neue Neos-Frontfrau Bettina Emmerling und deren Rolle als Vizebürgermeisterin wurde mitabgestimmt. Zwar galten beide Entscheidungen als ausgemachte Sache, kritische Stimmen zu Emmerling waren jedoch nicht ausgeschlossen, bildete sie doch zuletzt mit Selma Arapovic und Wiederkehr eine intern nicht unumstrittene Dreierspitze.
Personelle Kritik blieb am Samstag in der über weite Strecken halb vollen Eventhalle unweit des Hauptbahnhofs jedoch aus. Eine für Neos-Verhältnisse ungewohnte Skepsis zeigte allerdings das Abstimmungsergebnis. 81,9 Prozent stimmten für die Fortsetzung von Rot-Pink. Bei der Premiere 2020 waren es noch 95 Prozent. Im Bund mit ÖVP und SPÖ heuer nur um ein Prozentpunkt weniger.

Meinl-Reisinger, Wiederkehr, Emmerling und Arapovic stimmen ab.
Während sich das eine oder andere Parteimitglied ob des Ergebnisses enttäuscht äußerte, gaben sich die Parteigranden vor der Abstimmung umso überschwänglicher. Die Chefin der Liberalen, Beate Meinl-Reisinger, sprach von ehrlicher Arbeit, die belohnt wurde. Sie erinnerte an die Parteianfänge der Partei, „jetzt gehen wir gestärkt und selbstbewusster in eine neue Koalition.“ Wenige Stunden zuvor mit ihren Kindern noch am Billie-Eilish-Konzert, brachte sie für die nächste Landesversammlung scherzhaft eine Hebebühne und Flammen „wie bei einem Rockkonzert“ ins Spiel.
Erleichterter Wiederkehr
Als „erleichterter Staatsbürger“ bezeichnete sich Wiederkehr. Er träumte nicht von Konzertbühnen, sondern „dem Aufschwung nach der Budgetkonsolidierung“ und einer „Silicon Seestadt“.
Wirtschaftskompetenz wollen die Liberalen auf den jetzt in ihren Verantwortungsbereich fallenden Märkten beweisen. Diese sind seit Jahren Neos-Kernthema. „Sie verbinden so viel in der Stadt, von der Wirtschaft bis zur Lebensqualität“, sagte Emmerling. Als Bildungsstadträtin will sie nun eine starke Achse mit ihrem Vorgänger und dem nunmehrigen Minister Wiederkehr bilden.
Weiters erhielten die Mitglieder einen genaueren Einblick in pinke Kernthemen im Regierungsprogramm. Auf Plakaten war von der Reform der Mindestsicherung zu lesen, um „die Schieflage im System“ zu korrigieren und „Gerechtigkeit für arbeitende Menschen“ zu schaffen. Den zweiten Teil hat man in Wien so bisher selten gehört.
Beworben wurden zudem die umstrittene Markthalle am Naschmarkt (die man koalitionsintern zuletzt nicht mehr „Halle“ nannte – nun offenbar doch wieder), ein Parkpickerl für Unternehmen (das Wirtschaftstreibenden erlaubt, am Firmenstandort zu parken) und die Abschaffung nicht amtsführender Stadträte. Ein „Leuchtturmprojekt“ soll die Umgestaltung der Ringstraße werden. Außerdem macht sich der neue alte Juniorpartner für liberale Ladenöffnungszeiten stark.
Offiziell aufnehmen wird Rot-Pink II die Regierungsarbeit kommenden Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats.
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