Yannick Shetty, Klubobmann der Neos, sieht den Koalitionsfrieden in der Bundesregierung gewahrt.
KURIER: Herr Shetty, die türkis-rot-pinke Bundesregierung ist nun seit 100 Tagen im Amt. Ist es für Sie eher bloß eine Sanierungskoalition oder doch eine Reformerkoalition?
Yannick Shetty: Beides. Wir müssen jetzt einmal sanieren und das aufräumen, was da in den letzten Jahren angerichtet worden ist. Das Geld wurde mit der Gießkanne verteilt, und wir arbeiten mit einem riesigen Budgetdefizit. Wir haben immer gesagt, nach dem Sanieren kommt das Reformieren, damit wir wieder in jene Bereiche, die unseren drei Parteien wichtig sind, investieren können.
Die Neos sind die kleinste Fraktion in der Koalition. Ist dennoch ein Regieren auf Augenhöhe möglich?
Das war auch die Voraussetzung, dass wir in die Koalition eingetreten sind. In den Verhandlungen war es nicht immer so, dass wir diese Augenhöhe gespürt haben. Heute ist das kein Thema mehr. Die Zusammenarbeit funktioniert jetzt wirklich sehr gut.
Unstimmigkeiten gibt es dennoch. Ich nehme den Brief bezüglich der Europäischen Menschenrechtskonvention her, den Bundeskanzler Christian Stocker unterschrieben hat. Da geht es darum, dass die Abschiebung von Straftätern leichter möglich sein soll. SPÖ und Neos haben das kritisiert. Dabei müsste das ja auch deren Anliegen sein.
Da muss man zwei Dinge trennen. Das eine ist, dass es ein kommunikatives Abstimmungsproblem gegeben hat. Das haben wir – wie es sich gehört – intern besprochen und ausgeräumt. Das ist damit erledigt. Das andere ist, dass es nie darum ging die EMRK infrage zu stellen, sondern europäische Regeln zu schaffen, um Ordnung und Kontrolle bei Migration und Asyl wiederherzustellen. Jemand, der hier schwere Straftaten verübt, muss abgeschoben werden können. Das sehen wir genau gleich wie der Kanzler.
Die Neos stellen in der Regierung die Außenministerin, den Bildungsminister und Staatssekretär Sepp Schellhorn. Der wird seit einiger Zeit vom Boulevard heftig attackiert. Wegen seines Dienstautos, wegen seiner Werbung für ein Medium, wegen der Zahl seiner Mitarbeiter etc. Müssen da die Neos aufpassen, damit hier nicht ein erstes Regierungsmitglied „herausgeschossen“ wird?
Die Opposition versucht das. Es ist auch das Recht der Opposition, das zu tun. Ich glaube, es gab berechtigte Kritik an einzelnen Kommunikations-Hoppalas, die passiert sind. Das hat der Herr Staatssekretär auch eingeräumt und sich entschuldigt.
Der pinke Klub steht hinter Sepp Schellhorn?
Ja.
Er hat eine der schwierigsten Aufgaben. Er muss für Deregulierung sorgen. Da wird man leicht zwischen den verschiedenen Ebenen zerrieben.
Ja, es ist ein harter Job. Aber wir sind nicht in die Regierung gegangen, weil es einfach ist, sondern weil es wichtige Dinge zu tun gibt. Sepp Schellhorn mit seiner unkonventionellen Art, für die er bekannt ist, bringt da vielleicht den Zugang mit, den man braucht, wenn man in den Bürokratismus reinforsten will.
Es sind viele an einer Strukturreform, an der Entflechtung zwischen Bund und Ländern gescheitert. Warum glauben Sie, dass das diesmal gelingen könnte?
Grundsätzlich, weil ich ein optimistischer Mensch bin und wir eine lösungsorientierte Partei sind. Wir sind angetreten, dass wir auch in diesen Bereichen etwas weiterbringen. Daran werden uns die Menschen auch messen. Dazu kommen die budgetäre Lage, der Spardruck, das Defizitverfahren. Der Druck war noch nie so groß. Auf allen Ebenen, Bund, Länder und Gemeinden. Wenn es uns da gelingt, einen rot-weiß-roten Schulterschluss zusammenzubringen, wäre das eine gute Nachricht für Österreich.
Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Landeshauptleutekonferenz?
Wir haben den Reformprozess offiziell auf den Weg gebracht – mit allen an einem Tisch. Für uns Neos ist klar: Sanieren allein reicht nicht. Es braucht jetzt strukturelle Reformen, besonders in der Bildung, damit Österreich wieder zukunftsfit wird. Der Schulterschluss zeigt, dass wir gemeinsam bereit sind, an Reformen zu arbeiten. Erste Ergebnisse in Schlüsselbereichen sollen bereits in den kommenden Wochen und Monaten präsentiert werden.
Wenn es um Strukturreformen geht, dann haben die Neos immer wieder auch die Kammern – Wirtschaft, Arbeiter, Landwirtschaft – im Visier gehabt. Hat man sich damit abgefunden, dass da mit den Koalitionspartnern ÖVP und SPÖ nichts möglich sein wird?
Wir haben es natürlich in die Verhandlungen eingebracht. Und ich glaube, dass es nicht an unserem Verhandlungsgeschick gelegen ist, aber mit den gleich zwei Parteien, die in den genannten Institutionen so verankert sind, ist das nicht machbar. In einer Neos-Alleinregierung würden wir es machen.
Auf den Koalitionsfrieden wird sehr geachtet. Manchmal bekommt man aber den Eindruck, dass dieser Frieden so sehr im Mittelpunkt steht, dass bewusst Themen vermieden werden, mit denen man beim Koalitionspartner anecken könnte.
Ich glaube, dass die Menschen eine ganz große Sehnsucht danach haben, dass es eine Regierung gibt, die endlich einmal zusammenarbeitet und nicht streitet. Diese Sehnsucht ist berechtigt, und wir sollten sie auch erfüllen. Wir haben genügend Konflikte. Die tragen wir allerdings hinter verschlossenen Türen aus. Danach wird eine gemeinsame Linie vertreten.
Diese Sehnsucht hat aber noch nicht dazu geführt, dass die Regierungsparteien in den Umfragen stark zulegen. Derzeit liegt immer noch Herbert Kickl mit seiner FPÖ auf dem ersten Platz. Und das mit großem Abstand.
Ich bin überzeugt, dass auch die FPÖ von diesen hohen Zahlen wieder runterkommt, wenn wir sachpolitisch etwas weiterbringen. Es gibt einen Kern an FPÖ-Wählern, die immer diese Partei ankreuzen werden, komme, was es wolle. Sehr viele werden aufgrund von sachpolitischen Themen sagen, ich wähle nicht mehr die FPÖ, weil diese in vielen Fragen nicht die besten Lösungen hat, insbesondere in der Migration. Da haben wir im Regierungsprogramm einen sehr genauen Plan mit verpflichtender Integration, mit mehr Angebot, aber auch gleichzeitig mit mehr Konsequenzen bei Nichterfüllung. Wir haben ein klares Bekenntnis, dass mehr Ordnung und Kontrolle bei Asyl, Migration und Integration notwendig sind. Wir werden die Maßnahmen Schritt für Schritt umsetzen. Deswegen bin ich auch überzeugt, dass es uns gelingt, Wählerinnen und Wähler von der FPÖ zurückzugewinnen.
Zur ausführlichen KURIER TV-Sendung "bei Gebhart" mit Yannick Shetty
Im Parlament versucht die FPÖ mit einem U-Ausschuss zum Tod von Christian Pilnacek und zu Corona-Maßnahmen ein neues Spielfeld aufzumachen. Wie sehen Sie das?
Das ist das Recht der FPÖ. Wir werden uns, wenn der Untersuchungsausschuss beginnt, wie in der Vergangenheit vollumfänglich an der Aufklärung und Kontrolle beteiligen. Mit dem Blick auf Fakten und ehrliche Aufklärung. Jetzt aber noch einmal ein Corona-Trauma von irgendwelchen FPÖ-Abgeordneten zu beleuchten, da werden wir nicht mitmachen.
Sie waren bereits bei einem U-Ausschuss für die Neos dabei. Sie haben miterlebt, wie das bei diesen Befragungen abläuft. Erst vor Kurzem wurde Ex-Kanzler Sebastian Kurz vom Vorwurf der Falschaussage beim U-Ausschuss freigesprochen. Was müsste beim U-Ausschuss geändert werden?
Ich kann die Kritik am U-Ausschuss von den verschiedenen Seiten nachvollziehen, dennoch ist er ein extrem wichtiges parlamentarisches Instrument, das leider immer mehr zu einem Ort der parteipolitischen Schlammschlacht geworden ist. Es gibt Auskunftspersonen, die sich
80 Mal nicht mehr erinnern können, obwohl sie noch jung und fit sind. Es gibt Oppositionspolitiker, die den U-Ausschuss missbrauchen. Das ist nicht gut. Es wäre notwendig, dass man beim Thema Live-Übertragungen von U-Ausschüssen endlich weiterkommt. Wir würden uns wünschen, dass Parlamentspräsident Walter Rosenkranz da die Initiative ergreift.
Wie beurteilen Sie überhaupt die Arbeit des FPÖ-Parlamentspräsidenten?
Ich habe ihm am Anfang echt eine Chance gegeben. Ich habe nicht zu denen gehört, die gesagt haben, nur weil er ein FPÖler ist, wird er alles falsch machen. Jetzt finde ich nicht, dass er das Amt souverän führt. Ich habe auch das Gefühl, dass er extrem überfordert ist mit der Situation. Einerseits mit dem Anspruch, das Amt überparteilich zu führen, andererseits mit dem Druck aus den eigenen Reihen.
ZUR PERSON
Yannick Shetty
Am 23. Oktober 2019 zog der Wiener Yannick Shetty als jüngster Abgeordneter für die Neos in den Nationalrat sein. Seit März 2025 ist der heute 30-Jährige Klubobmann der Neos.
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