ÖVP Wien: Nächster Anlauf für die "urbane Stadtpartei"

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Lorenz Mayer muss als neuer Landesgeschäftsführer die Partei umstrukturieren. Das geht nicht ohne Kündigungen. Inhaltlich will er die ÖVP „langfristig attraktiv machen“.

Es ist ein Knochenjob, den der 29-jährige Lorenz Mayer da übernommen hat. Er ist neuer Landesgeschäftsführer der Wiener ÖVP. Seine wichtigste Aufgabe: Er muss die Scherben nach dem Wahldebakel der Türkisen aufräumen, sprich: die Landespartei neu strukturieren, die Bezirksorganisationen und Bünde einen und einen inhaltlichen Selbstfindungsprozess auf den Weg bringen.

Dass Mayer ein Faible für außergewöhnliche Jobs hat, zeigt ein Blick zurück: Seine politische Heimat hat er nämlich ausgerechnet im ÖVP-Seniorenbund. Und das schon seit mehreren Jahren. Wie ein damals 22-Jähriger zu den ÖVP-Pensionisten kommt? Ein bisschen war es wohl Zufall.

Mayer war parlamentarischer Mitarbeiter der ÖVP – und werkte für die beiden

damals ältesten Nationalräte der Partei: Der eine war Rudolf Taschner. Der andere sollte später eine noch wichtigere Rolle in Mayers Leben spielen: Karl Mahrer. Über ihn kam Mayer dann auch mit der ÖVP-Grande-Dame Ingrid Korosec in Kontakt, kurz darauf war Mayer Landesgeschäftsführer des Wiener Seniorenbunds.

Mahrer war es auch, der den jungen Funktionär als Vertrauten in die Wiener Landespartei holte. In den vergangenen Jahren war Mayer bereits als stellvertretender Landesgeschäftsführer tätig – an der Seite und im Schatten von Peter Sverak, der die Kommunikation nach Außen und den Wahlkampf managte. Sverak nahm gemeinsam mit Mahrer nach der Wahl den Hut, Mayer ist geblieben. Er hat nicht nur das Vertrauen des neuen ÖVP-Chefs Markus Figl, sondern scheint in der gesamten Partei gut angeschrieben. Dass er der Richtige für den Job ist, daran zweifelt intern kaum jemand.

„Verbindlich und verbindend“ sei er, ein „guter Kommunikator“, mit „Gespür für die Funktionäre“. Das und mehr hört man aus der Partei. Wer die ÖVP kennt, weiß, dass derartiges Lob keine Selbstverständlichkeit ist. Bereits als Sveraks Stellvertreter war er für die Koordination der Bezirksparteien zuständig. Mit ihnen wird er nun noch mehr zu tun haben.

Zuerst aber steht einiges an Arbeit in der Parteizentrale an. Der unangenehmste Teil: Mayer muss Mitarbeiter kündigen. Dass die ÖVP von mehr als 20 auf unter zehn Prozent gefallen ist, hat finanzielle Folgen. Mayer will die Strukturen „schlanker, schneller und flexibler gestalten“, wie er im KURIER-Gespräch sagt. Es lägen „viele Gespräche“ vor ihm. Von Mitarbeitern, die man nicht halten kann, will er sich einvernehmlich trennen.

Inhaltlich stehe nun eine „Phase des Zuhörens“ an, sagt Mayer. In den nächsten vier bis sechs Wochen will er mit jedem Mitglied des Landesparteivorstands ein persönliches Gespräch führen und will bis Sommer mit Bezirken und Bünden konferieren. „Jeder soll die Chance haben, zu sagen, was ihm wichtig ist.“

Was ihm selbst vorschwebt: Mayer will die Partei „langfristig attraktiv machen“ für die Wähler. „Wir müssen eine Vision präsentieren können, wo Wien 2070 stehen soll.“ Damit das gelingt, muss er ein Kernproblem ins Visier nehmen: die Schwäche der ÖVP in urbanen Räumen. Mit Nico Marchetti, dem Generalsekretär der Bundes-ÖVP, hat er einen Mitstreiter, der das Thema ebenfalls auf der Agenda hat.

In Wien war die ÖVP bereits vieles. Da gab es einst die „bunten Vögel“, man war die „urbane Stadtpartei“ oder „rechts mit Anstand“. Mayer will sich bei der Selbstfindung keinen Stress machen (lassen): „Wir haben die Zeit, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Und diese Zeit müssen wir uns auch nehmen.“ Dass ihm das Wording der „urbanen Stadtpartei“ gefällt, daraus macht er dennoch keinen Hehl.

Neue Ausrichtung: Inhaltliche Arbeit

Generell markiert Lorenz Mayer einen neuen Typus des Geschäftsführers: Weg vom Image des Kettenhunds, der nur mit markigen Sprüchen gegen den politischen Gegner ausreitet – hin zur echten inhaltlichen Arbeit.

Ausgerechnet in der Wiener Landespartei ist das kein einfacher Job. In Erinnerung bleibt der Polit-Profi Markus Keschmann, der nach der glück- und ideenlosen Bernadette Arnoldner unter Karl Mahrer den Job übernahm, um die Post-Kurz-ÖVP auf Vordermann zu bringen.

Er fiel internen Kämpfen zum Opfer – und schied just zu jener Zeit, als Mahrer und Sverak ihr umstrittenes Brunnenmarkt-Video produzierten, nicht im besten Einvernehmen. Ab 1. Juni ist Keschmann übrigens wieder Landesgeschäftsführer – aber in Kärnten. Mayer ist unterdessen zuversichtlich, sich in der Wiener Partei durchzusetzen – der Seniorenbund war ihm da eine gute Schule: „Ich habe gelernt, dass man mich als junger Mensch ernst nimmt. Und dass es wichtig ist, Generationen zu verbinden. Gute Ideen sind nicht vom Alter abhängig.“

Spannend wird die Dreifachbelastung, die auf ihn zukommt: Mayer sitzt ab sofort (als einzig Neuer in der ÖVP) auch als Mandatar im Gemeinderat. Bezirksparteichef in Meidling will er ebenfalls bleiben.

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