Nachts im (Naturhistorischen) Museum: Unterwegs mit dem Nachtwächter

Kein Kommentar – eine Antwort, die Walter Kraus häufig gibt. Wie oft gehen Sie nachts durch das Museum? „Kein Kommentar.“ Wie sehen Ihre Runden aus? „Kein Kommentar.“ Warum ist nur dieser eine Schaukasten beleuchtet? „Kein Kommentar.“
Auf einige Fragen darf der Nachtwächter schlicht nicht antworten. Aus Sicherheitsgründen. Und Gründe, um Sicherheit walten zu lassen, gibt es im Naturhistorischen Museum Wien zahlreiche. Allein die 100.000 Ausstellungsstücke auf einer Schaufläche von mehr als 8.000 Quadratmetern. Das Areal, das Kraus und seine Kollegen nachts bewachen, ist aber noch deutlich größer. Denn nur ein Prozent der Objekte, die dem Museum gehören, ist ausgestellt. Der Rest befindet sich in Lagerräumen und Forschungszimmern. Und auch die wollen abgegangen werden.
„Sitzer“ und „Steher“
Pro Nacht sind drei Wächter im Einsatz. Ein „Sitzer“, der am Eingang wacht und zwei „Geher“, die ihre Runden durch das Museum drehen. „Die Geher müssen immer zu zweit unterwegs sein. Aus Sicherheitsgründen“, sagt Kraus. Aus Sicherheitsgründen muss per Funk auch Kontakt zum „Sitzer“ gehalten werden. Um bestimmte Räume betreten zu können, muss der „Sitzer“ die Freigabe erteilen und die Alarmanlage deaktivieren.

Walter Kraus arbeitet seit 34 Jahren im Naturhistorischen Museum. Einen Großteil davon als Nachtwächter. Sein ständiger Begleiter: die explosionsgeschützte Taschenlampe. Damit geht er pro Nacht rund fünf Kilometer durch die Räume des Museums
Zum Kontrollgang gehören auch die Küchen und die Toiletten. Kontrolliert wird dabei auf Wasserschäden und mögliche Brandursachen. Wasserkocher etwa werden ausgesteckt.

Das zweiköpfige Kalb befindet sich im Tiefspeicher
Unter der Erde im Tiefspeicher müssen die Nachtwächter ebenfalls vorbeischauen. Hier unten werden unter anderem die ausgestopften Säugetiere, die nicht für die Ausstellung benötigt werden, gelagert. Bei konstanten 10 Grad. „Hier drinnen dürfen wir uns nicht zu lange aufhalten. Unsere Ausdünstungen und unsere Körpertemperatur wirken sich auf die Präparate aus“, sagt Kraus. Bleiben könnte man hier aber durchaus länger, zu sehen gibt es einiges. Ein zweiköpfiges Kalb (siehe Bild oben) und einen Mülleimer, der aus einem Elefantenfuß gefertigt wurde zum Beispiel.
Ein mulmiges Gefühl
Auf die Ausstellungsstücke zu achten, ist nicht die Aufgabe der Nachtwächter. Ob etwas fehlt, würde meist sowieso nicht auffallen. Die Ausstellungen verändern sich andauernd. „Hin und wieder haben wir aber Zeit, uns ein paar Objekte anzusehen“, sagt Kraus. Gestohlen wurde in den 34 Jahren, in denen Kraus im Museum arbeitet, aber noch nie etwas. Auch auf fremde Menschen sei er in den Räumlichkeiten nie gestoßen. Ein mulmiges Gefühl habe er hin und wieder trotzdem: „Wenn man die Tür hinter sich schließt und sie dann plötzlich wieder aufgeht. Da wird einem schon ganz anders“, sagt er. Bisher seien aber immer der Wind oder der knarrende Boden die Gründe dafür gewesen.

Fremde Menschen halten sich eher vor dem Museum auf. Im Areal, das die Jungen „Zwidemu“ – eine Abkürzung für „Zwischen den Museen“ – nennt. Auf dieser Grünfläche wird häufig gefeiert. Die Nachtwächter beobachten dieses Geschehen bei ihren Runden am Dach. „Natürlich treiben wir dann ab und zu unsere Scherze mit den Liebespaaren im Park. Wir haben ja so schöne Taschenlampen, mit denen man direkt hinleuchten kann“, sagt Kraus.
Ansonsten bleibe viel Zeit zum Nachdenken, bevor die Schicht um 6.45 Uhr endet. Schlaf bekommt man in diesem Beruf nicht viel. „Der Rhythmus ist einfach immer durcheinander“. Nachtwächter will Kraus dennoch bis zur Pension bleiben.
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