Nach Freitod eines 19-Jährigen wurde Wiener Freund verurteilt

Symbolbild
24-Jähriger holte keine Hilfe. Urteil: 15 Monate wegen Imstichlassens eines Verletzten.

Weil er einem Mitbewohner im Sommer 2020 geholfen bzw. zugesehen haben soll, wie dieser seinem Leben ein Ende setzt, ist am Dienstag ein 24-Jähriger vor Gericht gestanden. Angeklagt war Mitwirkung an der Selbsttötung. Weil sich die Sache nun etwas anders dargestellt hat, wurde der Mann schlussendlich wegen Imstichlassens eines Verletzten zu 15 Monaten rechtskräftig verurteilt. Der 24-Jährige hatte dem 19-Jährigen Heroin überlassen, nach dessen Konsum er starb.

Beschuldigt waren zunächst zwei junge Männer. Weil der nun Angeklagte nicht auffindbar war, wurde zunächst gegen einen gleichaltrigen Mitbewohner verhandelt. Er wurde bereits vor einem Jahr wegen Mitwirkung am Selbstmord (Paragraf 78 StGB) rechtskräftig zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Dieser sagte heute als Zeuge aus und relativierte dabei den Vorfall am 20. Juli 2020. Mittlerweile hat sich auch die Rechtslage geändert. Der Verfassungsgerichtshof hat auf Antrag mehrerer Betroffener jene Bestimmung aufgehoben, die die Hilfeleistung zum Selbstmord unter Strafe stellt.

19-Jähriger sprach bereits von Selbstmord

Der 19-Jährige feierte am Tag vor seinem Tod mit den beiden Freunden und anderen Hausbewohnern eines Männerwohnheims zunächst einen Geburtstag. Bereits da soll er Selbstmordabsichten geäußert haben. „Er möchte nicht mehr in dem Körper sein, in dem er ist“, erzählte der Angeklagte dem Schöffensenat (Vorsitz: Wolfgang Etl).

Am nächsten Tag bat der 19-Jährige die beiden Freunde wieder in sein Zimmer und erklärte ihnen laut Strafantrag, er wolle nicht mehr leben. „Er wollte einen kurzen, schmerzlosen Tod“, berichtete auch der Zeuge. „Und er wollte, dass wir dabei sind.“ Der 19-Jährige habe sich gemeinsam mit dem nun Angeklagten Heroin besorgt.

Vier Gramm für 100 Euro wurde bei einem Dealer am Handelskai gekauft. Die beiden teilten das Suchtgift untereinander auf. Zurück im Wohnheim bat er die Freunde, das Zimmer zu verlassen. Der 19-Jährige schnupfte daraufhin die gesamten zwei Gramm Heroin durch die Nase. Er habe gewusst, dass das zuviel ist. „Ein halbes Gramm ist normal“, meinte der Angeklagte.

"Er meinte, er sei der Auserwählte"

Daraufhin holte der 19-Jährige die beiden wieder ins Zimmer und bat sie, mit ihm gemeinsam zu beten. „Er meinte, er sei der Auserwählte“, sagte der Beschuldigte. Die beiden Freunde hätten danach die Hände des 19-Jährigen, der sich in sein Bett gelegt hatte, gehalten, bis er starb. Auf die Frage des Richters, warum er keine Hilfe geholt habe, meinte der 24-Jährige: „Weil ich perplex war und ich nicht wusste, was ich machen soll.“ Er habe auch die Selbstmordankündigung nicht ernst genommen. Unter Suchtgiftkranken komme es öfter vor, dass man einen schlechten Tag habe. „Ich hatte Panik, als ich gemerkt habe, er stirbt.“

Die Leiche wurde später von einem Betreuer der Einrichtung entdeckt. Laut Gerichtsmediziner hatte das Heroin zu einer Vergiftung mit zentralem Herz-Kreislaufversagen geführt.

Neben des Imstichlassens eines Verletzten wurde der 24-Jährige auch wegen Diebstählen, Einbruchsdiebstählen und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel verurteilt, weil er mit einer gefundenen Bankomatkarte Zigaretten gekauft hat. Zudem wurde eine alte Strafe widerrufen. Beschuldiger und Staatsanwältin nahmen das Urteil an.

Hilfe bei Suizid-Gedanken

Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.

Das neue österreichische Suizidpräventionsportal 
www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.

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