Nach 888 Tagen aus der Quarantäne: Ein Tag mit Maske

Der 1. August markiert einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Corona. Seit Montag braucht laut der umstrittenen Verordnung niemand mehr in Quarantäne bleiben, der mit dem Virus infiziert ist – erstmals nach 888 Tagen – seit dem Auftreten des ersten Coronafalls in Österreich am 25. Februar 2020. Einzige – eigenverantwortlich umzusetzende – Regel: FFP2-Maske in Innenräumen und wenn der Sicherheitsabstand im Freien nicht eingehalten werden kann.
Und was passiert an dem Tag, an dem dieser Paradigmenwechsel vollzogen wird? Außer Unverständnis für diese Maßnahme: eigentlich nichts. Das zeigt ein Tag im Zeitraffer mit der Maske.
Bahnhof Wiener Neustadt, 7.30 Uhr. Der Speisewaggon im Zug ist voll, wie immer. Masken: Keine. Demnach – falls die Eigenverantwortung funktioniert – kein Infizierter in diesem Waggon. Auch sonst nur vereinzelt Menschen mit Masken. Wie schon seit Wochen.
Keine Berührungsangst
Und auch beim Buchtel-Frühstück in der Wiener Vollpension, in der Omas und Opas arbeiten, zeigt sich: Ob Maske oder nicht, Oma Renate bewirtet jeden. Berührungsängste hat sie keine. Sie nimmt sich Zeit, erklärt die Gerichte und Speisen. Auch wenn man mit Maske im schattigen Gastgarten sitzt – als einzige Person wohlgemerkt. Ein bisschen unüblich sei das schon, sich mit Maske hinzusetzen, sagt Renate. „Aber jeder, wie er sich wohlfühlt“, sagt sie.

Renate von der Vollpension bewirtet jeden. Ob mit oder ohne Maske
Sie selbst achte auf sich und ihre Gesundheit. Nicht zuletzt ihrer Enkerl wegen. Nur weil jemand eine Maske trage, sei das für sie also kein Zeichen für eine Infektion. In überfüllten Innenräumen etwa setze auch sie die Maske auf – auch ohne positiven Bescheid. „Und wenn ich Corona habe, dann gehe ich auch nicht arbeiten. Ich will ja niemanden anstecken.“ Die Verantwortung müsse man schließlich schon bei sich selbst suchen, sagt Renate. Nur in den Öffis funktioniere das mit der Eigenverantwortung nicht mehr so gut. „Wenn ich ums Eck in die 1er Bim einsteige, sitzt die Hälfte der Leute ohne Maske da“. In der U4 zwischen Heiligenstadt und Wien Mitte zeigt sich beim KURIER-Lokalaugenschein aber ein anderes Bild. Mit nur wenigen Ausnahmen halten sich die Fahrgäste an die Maskenpflicht. Der Selbstversuch, ein paar Stationen (frisch negativ getestet) ohne Maske zu fahren zeigt: Niemand sagt etwas.
Zwischen Cordon-Bleu und naturtrübem Apfelsaft verziehen weder die Kellner noch die Gäste im Stadtwirt im Bezirk Landstraße eine Miene, wenn da jemand mit Maske im gut gefüllten Gastgarten sitzt. „Es könnten ja auch Positive ohne Maske hier sitzen, das würde ich dann gar nicht merken“, sagt Kellnerin Julia.

Weder die Gäste noch die Kellner im Stadtwirt verziehen eine Miene, wenn Masken-Träger im Lokal sind
Anders sieht das die Mitarbeiterin eines Wimpernstudios in der Innenstadt. Um den Kunden die Wimpern machen zu können, müsse sie sich nahe übers Gesicht beugen. „Da will ich nicht, dass jemand positiv ist. Wenn jemand schon mit Maske kommt, dann frage ich nach.“ Sie selbst trage während der Behandlung ebenfalls Maske: „Ich will mich nicht anstecken, und ich will niemanden anstecken.“
Positive sollen arbeiten
„Im Handel sollen arbeitsfähige asymptomatische Covid-positive Personen in der Regel den Arbeitsort aufsuchen können, symptomatisch erkrankte Beschäftigte werden wie bei jeder anderen Krankheit zu Hause bleiben“, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands. Abweichungen könnten Unternehmen individuell umsetzen.
Laut Wirtschaftskammer kann die neue Regelung, „die sich noch bewähren muss“, vielen Unternehmen helfen, Personalengpässe zu vermeiden. Sollte es im Herbst wieder zu einer stärkeren Corona-Welle kommen, die Eltern aufgrund von Betreuungspflichten betrifft, wäre die Wiedereinführung der Corona-Sonderbetreuungszeit anzudenken, so die Kammer.
Zumindest am 1. August ist noch keine Welle an Krankschreibungen über die Ärzteschaft hereingebrochen, schildert eine Ärztin dem KURIER ihre Erfahrungen mit der neuen Regelung. Von rund 200 Patienten, mit denen sie telefonisch oder persönlich Kontakt hatte, wurden zwei wegen Corona krankgeschrieben. Offizielle Zahlen hat die Gesundheitskasse noch nicht, das lasse sich am ersten Tag noch nicht erheben, so eine Sprecherin.
Kommentare