Lebenszeichen eines totgeglaubten Wieners
Ich habe immer geglaubt, dass er am Leben ist. Im Inneren des Herzens war mir das einfach klar", sagt die Sprechstundenhilfe der Schwester von Martin Bohdal. Die angesehene Familie aus Wien, die als Ärzte und im Immobilienhandel tätig sind, schöpft nun neue Hoffnung. Der Sohn, der Bruder: Ist er vielleicht doch am Leben? Es wäre wohl eine kleine Sensation.
Die Vorgeschichte: Am 7. August 1998 besucht Martin Bohdal (23) die berühmte "Fête Blanche" (Weißes Fest) im noblen Velden am Kärntner Wörthersee. Dort wird bekanntermaßen bis in die Morgenstunden wild gefeiert. Lange nach Mitternacht landen alle weiß gekleideten Partygäste in der bekannten Disco "Fabrik" in Saag, so auch der Wiener. Gegen drei Uhr hat ihn ein Zeuge zuletzt gesehen. Doch irgendwann verschwand er. Spurlos.
Angeblich ertrunken
Vor dem Hotel Leopold, in dem Bohdal genächtigt hatte, wird bald dessen Porsche 911 gefunden. Absolut nichts deutet auf ein beabsichtigtes Verschwinden des jungen Mannes hin.
Die Eltern wollen aber an einen Unfall nicht glauben. Sie engagieren einen Wiener Privatdetektiv. Eine Woche lang sucht dieser mit 14 Personen nach Hinweisen auf den Verbleib des jungen Mannes aus gutem Haus. Der Privatermittler geht zeitweise sogar von einer Entführung aus. Die Kriminalabteilung Kärnten spricht hingegen von einer "Alibiaktion" des Detektives: "Nichts deutet auf ein Verbrechen hin."
Sechs Freunde von Bohdal werden daraufhin intensiv von Kriminalisten befragt, sie behaupten dennoch felsenfest, Martin sei nicht mit an Bord des Motorbootes gewesen. Ihnen werden Anzeigen wegen unterlassener Hilfeleistung angedroht, doch sie leugnen weiterhin. Allerdings finden sich auch keine Zeugen, die den Wiener auf dem Motorboot beim Hotel Pörtschach gesehen haben wollen.
Kurze Zeit später machen wilde Gerüchte in der Umgebung die Runde. Von einem vertuschten Motorbootunfall ist die Rede, gar von einem Gewaltverbrechen. Bohdal sei mit einem Sonnenschirm erschlagen und im Wörthersee versenkt worden, heißt es. Die Feuerwehr rückt mit einer Spezialkamera an, die bis zu 70 Meter in die Tiefe des Sees schauen kann. Sogar eine Wahrsagerin wird engagiert. Doch alles vergeblich. Nach zwei Wochen Suche geben alle Beteiligten auf. Es findet sich nicht die geringste Spur.
Bohdals Vermisstenanzeige im Internet fristet seither ein Schattendasein. Doch das weltweite Datennetz vergisst nicht. Und manchmal ist das gut so.
Ein Obdachloser
Vor rund zwei Monaten sitzt Giovanni Mele vom Designstudio Bilanzuolo vor dem Computer im italienischen Terlizzi (30 Kilometer nordwestlich von Bari), wie er dem KURIER telefonisch bestätigt. In seinem Ort ist ein mysteriöser Obdachloser aufgetaucht. Er schläft dort auf einer Bank, die Bewohner schenken ihm Kleider und Lebensmittel. Der Mann spricht kaum italienisch und lässt sich Andreas oder Zoltan nennen. Mele fotografiert ihn und testet ein Datenbankprogramm, berichtet eine lokale Zeitung. Dabei gibt es einen Treffer, der Name Martin Bohdal taucht auf. Der Obdachlose schaut ihm extrem ähnlich, auch eine Narbe auf der Nase ist bei beiden Fotos zu erkennen.
Mele meldet sich beim staatlichen Fernsehsender RAI, der bei der österreichischen Botschaft in Rom nachfragt. Inzwischen macht sich eine Reporterin der Sendung "Chi l'ha visto?" (Wer hat ihn gesehen?) auf den Weg in die 27.000-Einwohner-Stadt Terlizzi.
Gemeinsam mit einem Deutsch-Dolmetscher befragen sie den offensichtlich verwirrten Mann. Sie wollen von ihm wissen, ob er Martin Bohdal ist. Er scheint zu verstehen und lacht sichtlich. Mit etwas Fantasie ist ein "Ja" herauszuhören. Auf die Frage, ob er den Wörthersee kennt, nickt der Mann auf der Parkbank in Terlizzi und lächelt. Zum Abschluss verabschiedet er sich mit einem Handkuss. Anderen Berichten zufolge spricht der Obdachlose deutsch mit Wiener Akzent.
Im Landeskriminalamt Kärnten heißt es, dass Interpol eingeschaltet ist. Die italienische Polizei muss jetzt klären, ob es sich bei dem Obdachlosen um Bohdal handelt. Das wäre etwa über einen DNA-Test möglich. "Das wird aber dauern", heißt es bei der Kärntner Polizei.
Für tot erklärt
Wenn es sich tatsächlich um den nun 40-jährigen Martin Albert Bohdal handelt, könnte es interessante rechtliche Folgen geben. Denn er wurde im heurigen März vom Bezirksgericht Döbling offiziell für tot erklärt. Das wurde allerdings nicht an die Kärntner Polizei weitergeleitet. "Deshalb haben wir das Bild nicht von unserer Fahndungsseite entfernt", sagt ein Polizeisprecher.
Ein Glück, sonst hätte das Programm von Giovanni Mele nicht angeschlagen.
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