Mordversuch im Park: 19-jähriger Wanderarbeiter plädiert auf Notwehr
Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal gebracht.
Zwei Messerstiche soll der junge Mann seinem Kontrahenten im Wasserpark Floridsdorf zugefügt haben. Wenige Tage später stellte sich der 19-jährige Bulgare, der nirgends gemeldet ist, er wurde festgenommen.
Heute steht der 19-Jährige in Wien vor Gericht. Schwarze Hose, schwarzer Kapuzenpulli, weißes Hemd, den Kopf hat er meist gesenkt. Die Verfahrenshelferin Katharina Regner will "für den Burschen heute kämpfen" und plädiert auf Freispruch.
"Notwehr, kein Mordversuch"
"Er hat in Notwehr gehandelt", ist Regner überzeugt. Der Bulgare ohne Wohnsitz in Österreich habe aus Brünn nach Bulgarien heimreisen wollen. "Ohne Handy", wie Regner betont.
Dabei habe er "das Pech gehabt, im Wasserpark von einer psychisch beeinträchtigten Person attackiert" worden zu sein. Die Staatsanwältin sieht das in ihrem Strafantrag anders.
Nach einer Streit um das Handy des Opfers habe der Angeklagte das Opfer später wieder getroffen, sei auf den Mann zugegangen und habe zugestochen – die Stiche hätten zu einer massiven Lebensgefahr geführt.
Die Heftigkeit der Stiche gegen den Oberkörper lassen für die Staatsanwältin nur einen Schluss zu: Versuchter Mord.
„Mein Mandant ist froh, dass das Opfer überlebt hat“, kontert hingegen die Verteidigerin, „es tut ihm leid, dass das passiert ist.“
Und schildert die Geschichte eines orientierungslosen jungen Mannes, der nur nach Hause zu seiner Familie wollte.
Bei Odyssee in Wien gestrandet
Aus Tschechien habe der Mann über Wien nach Bulgarien reisen wollen. Den Weg zum Flughafen - Geld für den Flug hätte er gehabt - hat er nicht erfragen können.
Schon im Juni war der Bursche in eine Auseinandersetzung verwickelt, er sei zusammengeschlagen worden, dabei hat er sich das Handgelenk gebrochen.
An dem 5. August habe er mit dem Handy des Opfers, das er schon mehrmals getroffen hatte, wieder mit seiner Mutter telefonieren wollen, die in Neapel in einem Fischhafen arbeitet. Dabei sei es zu einer Auseinandersetzung mit dem Opfer und einer anderen Person gekommen.
"In Schwitzkasten genommen"
Der Angeklagte sei geschlagen und getreten worden, dann habe das Opfer den Angeklagten „in den Schwitzkasten“ genommen: "Ich dachte, ich muss ersticken."
Mit einem Messer, das er zuvor im Park gefunden und eingesteckt habe, "um mein Essen schneiden zu können", habe er nach hinten zugestochen, um sich zu verteidigen und zu befreien. Der erste Stich habe keine Wirkung erzielt, deshalb habe er erneut zugestochen.
Das Opfer konnte überleben, weil die Rettung zuvor schon wegen einer gestürzten Radfahrerin im Anmarsch war, sagt die Verteidigern.
Verteidigerin: Angeklagter wurde attackiert
Das Opfer, mit dem sich der Angeklagte angefreundet und radebrechend verstanden hatte, leide an paranoider Schizophrenie. Deshalb könne die Handyrückgabe zu einer Eskalation geführt haben.
"Das Opfer hat jede Menge Drogen im Blut, nicht nur Alkohol. Mein Mandant war zur falschen Zeit am falschen Ort, ich glaube ihm“, deshalb gibt es auch kein „reumütiges Geständnis, weil er in einer Notwehrsituation gehandelt hat, bekräftigt die Verteidigern.
Der junge Mann wollte nur heim auf den Bauernhof seines Onkels in Bulgarien. Auch er sagt: „Ich bin nicht schuldig.“
Zwei Monate als U-Boot in Österreich
„Sie waren zwei Monate in Österreich“, rechnet der Richter nach, „haben hier überlebt und etwas zu essen gefunden, aber es nicht geschafft, nach Hause zu fahren?“, wundert er sich. „Ich wollte nach Bulgarien, aber ich hatte keinen Plan“, gibt der Angeklagte kleinlaut zu.
Mit gesenktem Kopf, aber fester Stimme, erzählt der 19-Jährige, was an dem 5. August passiert ist. Der Mann habe ihn getreten und in den Schwitzkasten genommen. Er habe geschrien und geweint, er habe den Mann aber nicht töten wollen.
Der Richter lässt sich die Details des Kampfes schildern. „Warum das Opfer ihn attackiert hat, könne er sich nicht erklären“, sagt der Angeklagte.
Drei Tage habe er überlegt, was er tun solle. "Dann bin zurück zum Tatort, habe gebetet und bin zu einer Tankstelle und habe gesagt, dass ich jemanden verletzt habe", erinnert sich der 19-Jährige, der dann in U-Haft kam.
Nach der Einvernahme des Angeklagten sind die Zeugen am Wort. Das Opfer ist geladen, ebenso ein Mann, der sich in der Nähe des Tatorts aufgehalten hat.
Weiters werden ein Medizinischer Sachverständiger und ein psychiatrischer Gutachter gehört. Das Urteil wird noch für heute, Donnerstag, erwartet.
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