Mit dem sechsten Sinn gegen Diebe

Mike Möstl ist Taschendieben auf der Spur.
Die Mariahilfer Straße ist der liebste „Arbeitsplatz“ für Taschendiebe und für die, die sie festnehmen.

Rund 20.000 Wiener mussten im vergangenen Jahr erleben, wie es sich anfühlt, wenn beim Griff in die Handtasche plötzlich die Geldbörse fehlt. Taschendiebstahl ist ein lukratives Geschäft für organisierte Kleinkriminelle. Im Durchschnitt erbeuten die Langfinger rund 1000 Euro pro Tag – vorausgesetzt, sie gehen nicht ins Netz von Josef Gaschl und Mike Möstl.

Seit knapp 40 Jahren widmet Chefinspektor Gaschl einen Großteil seines beruflichen Lebens der Jagd nach Taschendieben (seine Tipps für Sicherheit beim Shoppen siehe Interview). Geografisch liegt die Polizeiinspektion, der er vorsteht, mitten im Dorado für Kleinkriminelle, nämlich an der Mariahilfer Straße.

Mentalist und Mentor

Auf einer der größten Einkaufsstraßen Europas kämpft Gaschl selbstverständlich nicht alleine gegen Langfinger. Zu seinem Glück fand er einen Kollegen, der mit der gleichen Begeisterung hinter den Dieben her ist, wie er selbst.

Leidenschaft ist aber nicht alles: „Man braucht eine Begabung, es ist wie ein sechster Sinn. Genau das hat Mike“, erzählt Gaschl. Nachsatz: „Wir nennen ihn nur mehr Mentalist.“ Polizist Mike Möstl erwidert: „Und er ist mein Mentor.“

Mit dem sechsten Sinn gegen Diebe
Polizei, Taschendiebe
Die Spitznamen haben sich die Männer durchaus verdient. Sie sind die erfolgreichsten Ermittler in Sachen Taschendiebstahl in ganz Wien. Bei zwei Touren über die Mariahilfer Straße pro Woche erwischen sie durchschnittlich einen Dieb oder eine Bande auf frischer Tat.

Als der KURIER die Polizisten auf einem ihrer Streifzüge begleitet, fällt eines sofort auf, nämlich, dass die Ermittler überhaupt nicht auffallen. Lässig, mit den Händen in den Hosentaschen, schlendert Möstl in die Geschäfte. Josef Gaschl ist als leidenschaftlicher Radfahrer mit dem Bike unterwegs. Unauffällig zu bleiben, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten in ihrem Job – schließlich sind auch die Taschendiebe auf der Hut.

Auf frischer Tat

Ein kurzer Blick reicht den Experten aus, um zu erkennen, ob jemand etwas im Schilde führt: „Man erkennt die Diebe eigentlich nicht am Äußeren. Meistens sind sie gut angezogen und schauen nicht aus, als hätten sie es nötig zu stehlen. Aber die Körpersprache verrät sie.“

Hat Möstl eine Person, die sich verdächtig verhält, im Auge, heißt es erst einmal abwarten: „Um einschreiten zu können, muss zumindest eine Vorbereitungshandlung passieren. Solange beobachte ich nur.“

Ein besonders heikles Pflaster für Kunden sind übrigens Schuhgeschäfte. „Beim Probieren lassen viele ihre Handtaschen einfach stehen. So ein kurzer Moment der Unachtsamkeit reicht professionellen Dieben aber locker aus, um die Geldbörse zu schnappen.“

Am Ende der Tour konnte Möstl an diesem Tag übrigens noch ein weiteres Erfolgserlebnis verbuchen. Zwei gewerbsmäßige Ladendiebe waren mit präparierten Taschen in der Mariahilfer Straße unterwegs: Möstl ließ seine gut versteckten Handschellen klicken.

Chefinspektor Josef Gaschl erklärt, worauf man als Kunde achten sollte.

KURIER: Gibt es Menschen, die besonders häufig zum Opfer von Taschendieben werden?
Josef Gaschl: Leider werden besonders häufig ältere Frauen bestohlen. Wenn es jemand auf Männer abgesehen hat, dann ist er meistens ein richtiger Profi-Dieb.

Man hört öfter, dass es bestimmte Volksgruppen gibt, die besonders aktiv seien. Ist das tatsächlich so?
Ja, aber die Nationalitäten ändern sich oft. Derzeit sind es besonders Nordafrikaner. Die sind oft nachts in Lokalen unterwegs. Bulgaren hingegen haben sich eher auf klassischen Taschendiebstahl in Bekleidungsgeschäften spezialisiert. Die Diebe werden professionell ausgebildet, ihre Bosse sitzen meist in Frankreich oder anderswo im Ausland. Einen Großteil der Beute müssen sie abgeben. Kinder dürfen oft nur das gestohlene Kleingeld behalten.

Auf welche Tricks sollte man als Kunde achten?
Ein alter, aber immer noch sehr beliebter Trick der Diebe, ist der, wo meist junge Männer so tun, als würden sie Zeitungen verkaufen. Sie legen dann die Hefte zum Beispiel auf den Tisch im Kaffeehaus und greifen sich unbemerkt das, was darunter liegt.

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