Häupl: "Bei den Flüchtlingen sind wir erpressbar"

Bürgermeister Michael Häupl
Wiens Bürgermeister will Flüchtlinge weiter aufnehmen. Koalition auf Bundesebene mahnt er zu Einigkeit.

Die Flüchtlingsfrage beherrscht weiterhin die Wiener Politik. Der KURIER sprach darüber mit Bürgermeister Michael Häupl.

KURIER: Hat der Bürgermeister einen Neujahrsvorsatz?

Häupl: Ich mach das schon jedes Jahr. Aber der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.Gilt das auch für die Politik?

Da gibt es keine Vorsätze, sondern politische Vorhaben.

Was wünschen Sie sich von Ihrer Partei im neuen Jahr?

Eine sehr wesentliche Umstellung der Parteiarbeit, also raus aus den Sektionslokalen.

Und vom Koalitionspartner?

Die normale Loyalität in einer Regierungskooperation. Diese können unsere Partner auch von mir erwarten.

Wien muss neu regiert werden, haben Sie nach der Wahl gesagt. Wie gehen Sie das an?

Ich habe gesagt, dass das Wahlergebnis für uns Sozialdemokraten kein Auftrag ist, so weiterzumachen wie bisher. Das habe ich in erster Linie auf die Partei bezogen.

Wo wollen Sie zulegen?

Wir müssen unsere Leistungen besser darstellen, denn die Opposition wird das sicherlich nicht tun.

Die Grünen haben Ihnen schon vor der Wahl nicht nur Freude bereitet. Stichwort Wahlrecht. Was ändert sich da?

Indem wir schon 2015 das Wahlrecht geändert haben. Das Thema ist weg. Im neuen Jahr sehe ich mit den Grünen keine Auseinandersetzung in dieser Qualität.

Die großen Brocken in Wien sind die Schaffung von Arbeitsplätzen und neue Wirtschaftsimpulse. Was kommt da?

Wir werden sehr dafür kämpfen, dass wir jene Investitionen, die wir von der Stadt im Bereich Kindergarten, Schule, Spitalsausbau oder technische Infrastruktur tätigen müssen, auch finanzieren können.

Die Finanzierung ist zum Teil nicht geklärt. Was erwarten Sie sich vom Finanzminister?

Den Finanzausgleich so abzuschließen, dass wir der Finanzierung unserer Investitionsaufgaben nachkommen können. Und nachhaltige Investitionen aus der Maastricht-Rechnung herauszunehmen, so wie das bei den Flüchtlingen getan wird. Da erwarte ich mir seinen Einsatz.

Apropos Flüchtlinge: Wien wirbt nun um die Mithilfe Privater bei der Unterbringung. Gibt es zu wenig Quartiere?

Bei der Unterbringung der Asylanwärter haben wir zu wenige. Daher haben wir die Aktion Herbergsuche gestartet. Wir wollen alle Asylansuchenden aus den Notquartieren herausbringen.

Wie viele Privatquartiere braucht die Stadt jetzt?

5000 bis 6000.

Reicht das in diesem Jahr?

Sollte der Flüchtlingszustrom wie bisher anhalten, haben wir von einem Anstieg auch bei den Quartieren auszugehen.

Wie wären die Auswirkungen?

Dann würde auch Wien langsam in eine Situation kommen, in der die Flüchtlinge sichtbar sind.

Die meisten Flüchtlinge, die Asylstatus erhalten, drängt es nach Wien. Behalten Sie Ihren bisherigen Kurs bei?

Zunächst beharre ich auf der Beibehaltung des Staatsvertrages, mit dem Flüchtlinge im Bundesgebiet gerecht verteilt werden. Nur so nebenbei: Wir erfüllen gerade wieder 120 Prozent der Quote.

Wie lange wird die Stadt hier mehr leisten?

Ehrlich gesagt, bei den Flüchtlingen sind wir erpressbar. Wenn Leute vor den entsetzlichen Verhältnissen, also entweder vor dem Verhungern oder Erschießen fliehen, dann können wir nicht einfach sagen, wir helfen euch nicht.

Was erwarten Sie sich dafür?

Dass mit dem blöd Reden aufgehört wird. Sich zu beklagen, Wien habe zu viele Sozialhilfebezieher oder hier seien zu viele Asylwerber, ist lächerlich. Die Argumentation eines Landeshauptmannkollegen, ,wir können nicht so viele Flüchtlinge haben, weil ja die Wiener so viele haben‘, befindet sich im Grenzbereich der Verhöhnung.

Wird das nicht zur politischen Belastungsprobe, wenn in Wien die Debatte um die Integration der Flüchtlinge ins Sozialsystem voll ausbricht?

Die haben wir ja jetzt schon. Was mich wundert, ist, dass die ÖVP in einer so unverschämten Form mitmacht. Und das in der Weihnachtszeit, wo die Botschaft doch eine ganz andere ist.

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Wie halten Sie es bei den Islam-Kindergärten?

Ohne den ersten Teil. Kontrolle ist gut, notwendig und richtig. Es gibt in Wien einen Bildungsplan. Der ist ohne Wenn und Aber einzuhalten. Sonst werden die Förderungen gestrichen und der Kindergarten zugesperrt.

Die SPÖ will sich 2016 ein neues Programm geben. Worüber werden Sie mit Ihren Funktionären im Jänner diskutieren?

Einen zentralen Eckpunkt kann ich nennen. Das FPÖ-Wahlverhalten ist primär von Ängsten und Sorgen der Menschen getragen. Angst vor Überfremdung, Sorge um die Zukunft der Pensionen, Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, oder Sorgen um die Ausbildung der Kinder. Daher ist es unsere Aufgabe, diese Ängste und Sorgen zu nehmen.

Die SPÖ hat erstmals einen Bezirk an die FPÖ abgeben müssen. Wird es ein Anti-Strache-Konzept für Simmering geben?

Simmering und jene Bezirke, in denen die FPÖ an uns nahe herangerückt ist, haben natürlich Priorität. Entscheidend ist, dass unsere Leute sich hier offensiv mit den Sorgen auseinandersetzen. Dazu müssen wir sie argumentativ in die Lage versetzen. Da hat es in Teilen der Partei in der Vergangenheit gewisse Versäumnisse gegeben.

Auf Bundesebene hat die Koalition das Wahljahr 2015 überstanden. Wird es jetzt leichter oder noch konfliktträchtiger?

Das wird von den äußeren Umständen abhängen. Primär davon, wie es der EU gelingt, den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Und natürlich ist die Bundespräsidentenwahl alles andere als egal.

Die ÖVP fährt bei den Flüchtlingen einen härteren Kurs. Wird hier Schwarz-Blau vorbereitet?

Momentan habe ich den Eindruck, sie argumentieren wie Seehofer und nicht wie Merkel. Es gibt sicher Leute, die Schwarz-Blau wollen und meinen, dass die Sozialdemokraten die ÖVP hinunterzieht. Wenn die ÖVP nicht begreift, dass man dieses Problem nur miteinander lösen kann, dann wird man miteinander untergehen. Was raten Sie beiden Parteien?

Möglichst rasch Vernunft einkehren lassen und das Flüchtlingsthema gemeinsam angehen. Und man sollte mit den wechselseitigen Querelen und dem Intrigantentum aufhören, wie das gelegentlich von Herrn Kurz vermittelt wird.

Die Bundespräsidentenwahl ist Ihnen wichtig. Warum?

Erstens geht es ums Staatsoberhaupt. Politisch ist es auch nicht unwichtig, wer da die Nase vorne hat, auch wenn das keine Vorentscheidung für die Nationalratswahl ist. Verlieren will ja keiner der Parteiobleute.

Das heißt kein gemeinsamer Kandidat?

Das wollen weder ÖVP noch SPÖ. Die SPÖ wird aus ihrem Selbstverständnis heraus gut beraten sein, mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen zu gehen.

Mit Rudolf Hundsdorfer?

Sofern er sich dazu entscheidet, wäre er ein ausgezeichneter Kandidat.

Auch Ihr Name ist im Spiel. Warum soll es das Duell Häupl gegen Pröll nicht geben?

Ich glaube, dass ich von meinem politischen Ansatz, Verständnis und Temperament nicht die Befähigung habe, dieses Amt auszuüben.

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