Mental Health Days: Wie psychische Gesundheit an Wiener Schulen gestärkt wird
Die Schülerinnen und Schüler der PTS 22 beteiligen sich angeregt an der Diskussion rund um das Thema Sucht und deren Auswirkungen.
„Wer hat heute früh Zähne geputzt?“ Alle Hände gehen hoch. „Wer hat ein A im Vornamen?“ Immer noch bleiben viele Hände oben. „Wer hat sich heute gefragt: ,Wie geht es mir heute eigentlich?‘“ Nur eine einsame Hand hebt sich im Klassenzimmer der Polytechnischen Schule 22 (PTS 22). Es ist eine simple Frage und doch so wichtig.
Und sie führt die Schülerinnen und Schüler direkt ins Thema ihres Mental-Health-Workshops im Rahmen der seit 2022 jährlich stattfindenden Mental Health Days an österreichischen Schulen.
Anonym und kurzweilig
In Wien fördert die Stadt insgesamt 100 der für das Schuljahr 2025/26 geplanten 125 Aktionstage an Wiener Sekundarschulen. Das entspricht 600 Workshops, zu Themen wie Mobbing, Leistungsdruck, Depressionen, Körperbilder oder Suizidalität. An diesem Vormittag geht es in der PTS 22 um das Thema Sucht. „Was ist die härteste Droge der Welt?“, fragt einer der Trainer. Schon erscheinen die Antworten der Klasse vorne auf dem Smartboard. „Kokain“, „Mariowana“ [sic], „Liebe“ und vieles mehr. Am Ende lautet die richtige Antwort jedoch: Alkohol.
Dass sich so viele von der ersten Sekunde an beteiligen, liegt auch an der App Mentimeter. Mit dieser können die Jugendlichen direkt auf ihrem Smartphone abstimmen und Antworten schicken, die in Echtzeit für alle sichtbar sind. „So kommen nicht nur die Lauten zu Wort“, sagt Projektinitiator Golli Marboe. „Es ist anonym, demokratisch und kurzweilig. Wir wollen keine sicheren Räume schaffen, sondern offene.“
Eine wichtige Rolle spielt auch ein auf den ersten Blick unscheinbarer Flyer, der auf jedem Platz liegt. Darauf sind sämtliche Beratungsstellen aufgelistet, an die sich Jugendliche bei Ängsten, Sorgen und psychischen Krisen wenden können.
Die App Mentimeter erleichtert die offene Kommunikation.
Reden und Hilfsangebote
Denn genau das steht bei den Mental Health Days im Vordergrund: nicht nur „darüber reden“, sondern auch wissen, wo es Hilfe, Beratung und ein offenes Ohr gibt. Denn bei den Mental Health Days geht es nicht um Therapie, sondern um die Prävention. „Nicht alles, was mit psychischer Gesundheit zu tun hat, ist auch eine Krankheit“, sagt Marboe.
„Das Ziel ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es total menschlich ist, wenn es einem nicht gut geht – dass man darüber reden kann und soll und dass es Hilfsangebote gibt“, sagt Bildungsstadträtin und Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling (Neos). Sie hat sich an dem Tag auch in das Klassenzimmer gesetzt, um bei dem Workshop zuzuschauen.
Diese richten sich nicht nur an Schülerinnen und Schüler, sondern auch an Lehrkräfte und Eltern. Für sie gibt es speziell zugeschnittene Formate. „Bei den Pädagoginnen geht es stark um Abgrenzung, Krisenintervention und Selfcare“, sagt Marboe. Denn die Zahl der Krankenstände unter Lehrkräften sei erschütternd und hänge stark mit psychischen Belastungen zusammen.
Das für Schulen kostenlose Angebot wird stark nachgefragt, viele Einrichtungen stehen auf der Warteliste. Bianca Kaderschabek, die Direktorin der PTS 22, ist mit ihren Schülern zum ersten Mal dabei: „Wir haben gemerkt, dass es unseren Schülern immer schlechter geht. Der Druck steigt massiv, und die Ängste beginnen nicht erst kurz vor Schulschluss, sondern schon im September.“ Umso wichtiger sind Initiativen wie die Mental Health Days.