Psychische Gesundheit in Gefahr? Jugendliche zwischen Schule und Online-Welt

Symbolbild: Cybermobbing trifft vor allem Jugendliche hart
Selbstzweifel und Ängste nehmen unter Jugendlichen zu, warnen Experten. Schule, Eltern und Gesellschaft sind gefordert.

„Unsere Jugendlichen sind heute 35 Stunden in der Schule – und 40 Stunden im Netz“, sagt Georg Psota, Facharzt für Psychatrie und Neurologie. „Das bleibt nicht ohne Folgen.“ Ängste, Selbstzweifel und Erschöpfung prägen den Alltag vieler Teenager.  Studien zeigen: Ein Drittel der Mädchen und knapp ein Fünftel der Burschen sind mit ihrem Leben unzufrieden.  Psychische Probleme sind damit kein Randthema mehr, sondern eine zentrale Herausforderung für das Land. 

Bei einer Podiumsdiskussion im Wiener Ringturm, veranstaltet vom Verein ganznormal.at (Verein für die Gleichstellung von psychischen und physischen Krankheiten) diskutierten Expert:innen, wo Ursachen liegen und welche Schritte helfen könnten. Die Psychologin Barbara Juen betonte, dass soziale Medien den Druck massiv verstärken: „Ständig geht es ums Perfektsein. Wer nicht mithält, hat Angst, ausgeschlossen zu werden.“ Das verstärke soziale Ängste und führe zu Überforderung. Elisabeth Fuchs, Wiener Bildungsdirektorin, sieht die Schulen an einer Grenze:  „Wir können Sicherheit geben, aber nicht die Aufgaben der Eltern übernehmen.“ Viele Jugendliche würden in der Schule zum ersten Mal ein „Nein“ erleben – für manche eine wichtige, für andere eine schmerzliche Erfahrung. „Die Lehrkräfte stehen dadurch oft unter enormem Druck.“ Katrin Skala, Leiterin des Psychosozialen Dienstes, sprach von Jugendlichen als „Dopamin-Junkies“ – getrieben von der ständigen Suche nach Neuem, oft bis hin zur Sucht. „Die Lehrer:innen-Ausbildung ist für diese psychischen Herausforderungen gar nicht ausgerichtet – dafür gibt es ja Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen. Aber die Lücke bleibt, wenn Kinder und Jugendliche in der Schule unter Druck geraten.“ 

Podiumsdiskussion ganznormal.at, Ringturm

Diskussion ganznormal.at

Bedarf wächst, Angebot hinkt nach

Psota erinnerte daran, dass Eltern zu oft Hindernisse aus dem Weg räumen, statt Kinder Krisenbewältigung lernen zu lassen: „Wenn wir alles abfedern, 
nehmen wir ihnen auch die Chance, mit Schwierigkeiten umzugehen.“ Er verwies zudem auf die verstärkte Online-Zeit:  „Von 2010 bis 2020 ist die Social-Media-Nutzung enorm gestiegen – Corona hat das noch verschärft.“ Die Expert:innen waren sich einig: Es gibt bereits Initiativen,  doch der Bedarf wächst schneller, als das Angebot Schritt halten kann. Mehr Ambulatorien, bessere Elternbildung, Unterstützung schon im Kindergarten und gezielte Lehrer:innenfortbildungen – das waren die zentralen Forderungen des Abends. Vor allem aber brauche es eine offene Gesprächskultur. „Reden wir darüber“, lautet seit 14 Jahren das Motto von ganznormal.at. Und genau darin sahen die Diskutant:innen den entscheidenden Hebel: Psychische Probleme sichtbar machen, ohne Tabu, ohne Scham. Für viele Jugendliche könnte dieser Schritt entscheidend sein, um Selbstzweifel und Ängste nicht länger alleine tragen zu müssen.

Kommentare