Medikament trieb Frau in die Spielsucht

Auf Online-Spiele-Plattformen verlor die Patientin ihre gesamten Ersparnisse.
Die Sucht nach schnellem Geld kam über Nacht. Den Grund erfuhr die Patientin erst nach Jahren.

Eigentlich sollte für Annemarie Krichi durch das Medikament Sifrol Retard alles besser werden. Die Wienerin leidet seit Jahren am Restless-Legs-Syndrom, einer Krankheit, bei der die Beine der Patienten unkontrolliert zucken. Dass ausgerechnet die Medizin sie in den Ruin treiben würde, hätte Frau Krichi nie gedacht. 2011 wurde der damals 47-Jährigen Sifrol Retard verschrieben, die Tabletten werden vor allem bei Parkinson-Patienten angewendet.

Medikament trieb Frau in die Spielsucht
Annemarie Krichi Spielsucht
"Dann hat für mich die Hölle begonnen", erzählt Krichi. "Ich hatte noch nie in meinem Leben ein Problem mit dem Spielen oder sonst irgendeine Sucht in der Art." Das Einzige, das Frau Krichi spielte, war Bingo, ein Mal die Woche. "Daher hatte ich einen Account bei einer Online-Spielseite. Und als ich dann die Tabletten genommen habe, konnte ich einfach nicht mehr aufhören."

Keine Warnung

Was folgte, war ein jahrelanger Leidensweg. "Ich habe alles verspielt, mein Partner und ich sind mehrmals vor der Delogierung gestanden, aber ich konnte einfach nicht aufhören."

Die Wienerin und auch ihr Umfeld konnten sich die akute Wesensänderung nicht erklären. Nach einigen Monaten ließ sich Krichi freiwillig in eine Klinik einweisen, um ihre Spielsucht endlich in den Griff zu bekommen. "Ich habe bei meiner Hausärztin und auch in der Therapie immer wieder angegeben, welche Medikamente ich nehme, aber es hat mir nie wer gesagt, dass die der Auslöser sein können", sagt die Wienerin.

Dass dem aber tatsächlich so ist, bestätigt der medizinische Leiter der Spielsuchthilfe Wien, der Psychiater Peter Berger: "Diese Nebenwirkungen treten etwa bei fünf bis sieben Prozent der Patienten auf und können verschiedene Auswirkungen haben." Von Spiel-, Kauf,- Ess- und Sexsucht ist die Rede. Das Problem ist laut dem Mediziner aber vor allem, dass es wenig Alternativen zur Behandlung von Parkinson und Restless-Legs-Syndrom gibt.

Trotzdem hätten die Mediziner zumindest die Dosierung der Medikamente bei Frau Krichi ändern müssen und sie über den Auslöser ihrer Sucht aufklären, sagt Berger. Weil das nicht passierte, kam Frau Krichi dem Auslöser ihrer Spielsucht erst nach mehr als zwei Jahren auf die Spur. "Ich habe auf eigene Faust im Internet recherchiert und mir alle Informationen mühsam zusammengetragen. Es kommt mir vor, als ob das Thema totgeschwiegen wird."

Erfolgreicher Selbsttest

Psychiater Berger rät zur Achtsamkeit im Umgang mit dem Medikament: "Wenn man eine Veränderung im eigenen Verhalten merkt, dann sollte man sofort den behandelnden Arzt darauf ansprechen. Der kann dann dementsprechend handeln und man ist der Situation nicht hilflos ausgeliefert." Annemarie Krichi hat das Medikament abgesetzt und versucht es mit einem leichteren Präparat – und wagt ein Mal im Monat einen Selbsttest: "Ich kaufe mir 10 Euro Guthaben bei meiner Casino-Plattform. Das war am Anfang ganz schön riskant, aber ich habe die 10 Euro noch nie verspielt. Vielleicht macht meine Geschichte aufmerksam und meine Qualen waren nicht ganz umsonst."

Kommentare