Ludwig ist für Mercosur – und damit gegen die Parteilinie

PK SPÖ WIEN "KÜNFTIGES REGIERUNGSTEAM UND MANDATSVERÄNDERUNGEN"
Wiens Bürgermeister weicht in Wirtschaftsfragen von der Bundespartei ab. Das hat mehrere Gründe.

Vergangene Woche hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) mit einem Posting auf den sozialen Medien für Aufmerksamkeit gesorgt, am Dienstag hat er dessen Inhalt noch einmal bekräftigt: Er spricht sich dezidiert für das Mercosur-Abkommen aus. Das ist insofern bemerkenswert, weil die offizielle Parteilinie entgegengesetzt ist. 

Dass Ludwig, der oft betont, sich nicht öffentlich – wie etwa Parteigenosse Hans Peter Doskozil – gegen die Bundespartei zu stellen, hier nun in die Offensive geht, ist überraschend. 

Warum tut er es also?

Seine Positionierung für Mercosur stärkt das Bild, das die Strategen rund um den Wiener Bürgermeister schon seit Monaten aufbauen wollen: Ludwig als Wirtschaftspolitiker. Das rot-pinke Regierungsprogramm fokussiert sich auf die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, die erst kürzlich abgehaltene „Wiener Konferenz“ der Genossen stand unter dem Motto „Wirtschaft mit Haltung“, im Sommer hielt Ludwig einen Vortrag auf dem Sommerfest der Industriellenvereinigung (IV) und strich dabei die Bedeutung der Industrie hervor. 

Dass er sich nun, wie eben auch die IV, für Mercosur ausspricht, ist ein weiteres Puzzlestück.

Bedenken

Bedenken seien selbstverständlich ernstzunehmen, sagt Ludwig selbst. Selbige kommen etwa aus den eigenen Reihen, dem Arbeitnehmerflügel rund um Arbeiterkammer und ÖGB. „Durch die intensive Überarbeitung trägt das Abkommen Umweltstandards und Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechten bereits Rechnung. Ebenso wie durch Schutzmechanismen gegen überraschenden Preisverfall“, kontert Ludwig.

In der eigenen Argumentation stützt man sich in der Wiener SPÖ unter anderem auf eine Studie der Bank Austria über die wirtschaftlichen Vorteile durch das Mercosur-Abkommen. Diese besagt, dass insbesondere Wien davon profitieren würde. So würde sich die Wertschöpfung in Salzburg, Wien und Niederösterreich jeweils um knapp 40 Millionen Euro erhöhen und etwa 300 Industriearbeitsplätze schaffen. 

Besonders würde man von pharmazeutischen Ausfuhren profitieren. Das wiederum passt zum Schwerpunkt, den man sich innerhalb des Themenkomplexes Wirtschaftsstandort gesetzt hat: Stärken des lukrativen Life-Sciences-Bereichs.

Die Hoffnung auf Aufschwung

Das ist alles auch ein Bemühen, eine positive Zukunftserzählung zu erschaffen – dieser hat man sich mit dem Namen „Aufschwungskoalition“ verschrieben. Anlässlich des Rekordschuldenstands, der insbesondere in Wien empfindliche Einsparungen mit sich bringt, und der hohen Arbeitslosigkeit ein kühnes Vorhaben. 

Dass bei den schlechten Budgetzahlen die Stadträte, allen voran Wirtschaftsstadträtin Barbara Novak, kommunikativ in der ersten Reihe stehen, ist dabei kein ungewöhnlicher politischer Kniff. Ludwig ist derjenige, der mit positiven Meldungen in Erscheinung tritt. Zuletzt erst gestern, da in der neuen konjunkturellen Bundesländer-Analyse der Bank Austria der Bundeshauptstadt ein Wirtschaftswachstum von plus 1,0 Prozentpunkten prognostiziert wird. Nur Tirol ist mit 1,3 Prozentpunkten besser.

Proeuropäisch

Ludwig spricht sich auch deswegen für Mercosur aus, um „das gemeinsame Europa zu stärken und seine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen“. Eine Haltung, die ebenfalls nicht neu ist. Politische Feinspitze mag erfreuen, dass Ludwig in der Mercosur-Frage von Andreas Schieder, SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, „zu 100 Prozent“ unterstützt wird, wie dieser selbst zum Standard sagte. Schieder rang einst mit ihm um das Bürgermeisteramt. 

Heute finden die Kämpfe offensichtlich mit anderen Genossen statt.

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