Lokalaugenschein: Die Retter der Wiener

Lokalaugenschein: Die Retter der Wiener
Der KURIER hat eine Nacht lang hinter die Kulissen der Berufsrettung Wien geblickt.

„Wo genau ist der Notfallort?“, „Ist sie bei Bewusstsein?“ oder „Atmet die Patientin?“ – Diese drei Fragen hallen immer wieder durch die Leitstelle der Wiener Berufsrettung. An elf Tischen sitzen rund um die Uhr Mitarbeiter hinter ihren Bildschirmen und nehmen im Minutentakt Anrufe entgegen. Einer der am Hörer sitzt, ist Sebastian Froschauer. Während er Hilfesuchende am Telefon befragt, gibt er die Adresse und weitere Details ins Einsatzleitsystem ein. Dann kann der sogenannte „Weitergeber“ schon die Rettungsmittel koordinieren.

Erste Hilfe am Telefon

„Oft glauben die Leute, dass wir nicht sofort jemanden schicken, weil wir noch mit ihnen telefonieren“, sagt Froschauer. Mit den Anrufern zu reden sei aber wichtig. Ein Rettungswagen braucht in Wien acht bis zwölf Minuten bis zum Einsatzort, währenddessen geben die Retter am Telefon Erste-Hilfe-Tipps oder sie versuchen, die Anrufer zu beruhigen. Bei Unfällen oder Ereignissen im öffentlichen Raum kommt es vor, dass mehrere Menschen gleichzeitig in der Leitstelle anrufen. Wenn nötig, informiert die Rettung dann auch die Polizei, die Feuerwehr oder die Wiener Linien.

Lokalaugenschein: Die Retter der Wiener

Auch in welches Krankenhaus Patienten gebracht werden, wird in der Leitstelle zentral gesteuert. Mittels Computerprogramm sieht der zuständige Disponent, wo Betten auf welchen Stationen frei sind. Der Mythos, dass man durch eine Einlieferung per Rettungsauto im Krankenhaus schneller an die Reihe kommt, stimmt übrigens nicht: „Manche Patienten sind einfach zu bequem, um zum Hausarzt zu gehen, und rufen uns an. Das erspart aber keine Wartezeit. Im Krankenhaus teilen die Ärzte die Patienten nach Dringlichkeit ein“, sagt Froschauer.

Ob auch eines der neun Notarzt-Teams benötigt wird, entscheidet sich in der Leitstelle. Gearbeitet wird nach dem internationalen Abfrageschema AMPDS – nach den ersten Angaben des Anrufers erscheint am Ende ein Einsatzcode, laut dem unterschiedliche Einsatzfahrzeuge geschickt werden.

Katastrophenzug

Rund zwei Mal täglich kommt es vor, dass für den Katastrophenzug – auch K-Zug genannt – Alarm geschlagen wird: Vier Teams aus jeweils vier Sanitätern sind ständig auf Abruf, um für größere Einsätze gerüstet zu sein. Dieser K-Zug wird beispielsweise bei Bränden angefordert, wenn Gebäude evakuiert werden. Im Einsatzfahrzeug können mehrere Menschen mit Sauerstoff versorgt werden. „Manchmal sind die Bewohner nach Bränden auch einfach sehr aufgeregt oder stehen in der Kälte im Freien. Dann kümmern wir uns im Fahrzeug um sie“, sagt Thomas Rudolf, der mit dem K-Zug unterwegs ist. Er und seine Kollegen haben eine spezielle Ausbildung. Denn bei der Arbeit im K-Zug geht es auch um logistische Herausforderungen. Wenn gleich mehrere Personen in Krankenhäusern versorgt werden müssen, haben die Mitarbeiter des K-Zugs die Einteilung im Auge und sind auch Ansprechpartner für die Polizei und für Angehörige.

Lokalaugenschein: Die Retter der Wiener

Die Berufsrettung in Zahlen

850 Mitarbeiter sind bei der MA 70 in der Einsatzzentrale, in zwölf über das Stadtgebiet verteilten Rettungsstationen sowie in fünf Notarzteinsatz-Standorten im Einsatz. Im Jahr 2017 wurden von der Berufsrettung mehr als 163.000 Einsätze für die Wiener Bevölkerung abgewickelt und dabei mehr als 2.600.000 Kilometer zurückgelegt. In der Notrufleitstelle wurden in Summe mehr als 345.000 Einsätze, Betten und Fahrzeuge koordiniert. Der Wiener Rettungshubschrauber, der gemeinsam vom Christophorus Flugrettungsverein und der Berufsrettung Wien betrieben wird, flog im Vorjahr 1675 Einsätze.
In 24 Stunden läutet das Notruf-Telefon in der Leitstelle der Berufsrettung  an die 1000-mal. Insgesamt sind in Wien tagsüber 40 bis 45 Rettungswägen im Einsatz.

Kommentare