Lohnsteuer für Prostituierte macht Bordellchefs automatisch zu Zuhältern
Christoph Lielacher erzählt oft, er sei "atypisch" für das Gewerbe. Dann schildert er seinen Weg – vom bürgerlichen Job als Werber ins Rotlicht. "Ich bin ursprünglich gekommen, um den Betrieb zu sanieren", erzählt er. Der Wiener Betrieb ist Österreichs größtes Bordell, der "Funpalast". 50 Prostituierte arbeiten hier.
Derzeit sitzt Lielacher in der Zwickmühle. Betreibt er seinen Club weiter, ist eine Gesetzesübertretung vorprogrammiert – entweder Schwarzarbeit oder Zuhälterei. So geht es nicht nur Lielacher.Viele Lokal-Betreiber erhielten kürzlich Post von der Finanz. Ab 1. April, so steht es geschrieben, werden Prostituierte in Bordellen, Saunaclubs und Massagesalons nicht mehr als Selbstständige, sondern als Angestellte gesehen. Die Finanz schielt dabei auf die Lohnsteuer – und hat vermutlich auf eine Besonderheit des Gewerbes vergessen. Wenn Bordellchefs die Lohnsteuer so wie anderen Unternehmer einbehalten, könnten sie sich strafbar machen – nämlich der Zuhälterei (§ 216, Strafgesetzbuch, Strafausmaß zwei Jahre Haft).
Wer im Rotlicht tätig ist, weiß das. Lielacher sowieso: "Ich spiele sicher nicht für die Finanz den Zuhälter." Weder dürfe noch wolle er Geld einheben. In seinem Club würden die Sexarbeiterinnen und die Freier Eintritt zahlen. "Der Rest ist Sache der Frauen."
Die Finanz selbst bezeichnete die bisherige Praxis als "uneinheitlich". Dies hätte laut dem Schrieb "immer wieder zu Berufungsverfahren" geführt. Den Ausgang eines solchen Prozesses will der Fiskus nun nutzen, um klare Regeln umzusetzen.
In dem Verfahren ging es um einen Bordellchef, der bis vor den Verwaltungsgerichtshof zog, um die Lohnsteuerpflicht einer Prostituierten anzufechten. Mit seiner Beschwerde blitzte er auch in letzter Instanz ab.
Kriterien-Katalog
Ab wann sind Sexarbeiterinnen Angestellte und wann Selbstständige? Die Finanz hat sich hierfür einen Kriterien-Katalog zurechtgelegt. Es geht darin um die Preisgestaltung, das Inkasso, vorgegebene Öffnungszeiten und anderes. Entscheidet darüber die Prostituierte, ist sie selbstständig, andernfalls angestellt. Überdies, heißt es auf KURIER-Anfrage, sei das Einbehalten der Lohnsteuer nicht an sich schon Zuhälterei: Die Lohnsteuerpflicht könne erfüllt sein, " ohne dass ein Konflikt mit § 216 StGB entsteht".
Nicht nur Bordell-Betreibern bereitet der Erlass Kopfzerbrechen. Christian Knappik, Sprecher der Plattform "sexworker.at", befürchtet, dass der Betreiber nun "auch rechtlich die Stellung eines Chefs" hat. Frauen wären damit weisungsgebunden, müssten tun, was der Chef verlangt. "Für uns ist eine weisungsgebundene Prostitution der größte Graus." Diese neue Praxis sei auch nicht durchdacht: Weder die Sozialversicherung noch die betroffenen Frauen seien informiert.
In Oberösterreich regt sich gegen die Lohnsteuerpflicht Widerstand. Mehrere Bordellbetreiber schlossen sich zusammen und engagierten einen Anwalt. Eine Handhabe haben sie erst, wenn der erste Bescheid eintrudelt.
Lielacher setzt lieber auf Gespräche mit den Verantwortlichen: "Dieser Erlass widerspricht derzeit dem Strafgesetz."
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