Kunst als Sprache, die jede versteht: Wie ein Museumsbesuch bei der Integration hilft

Museumsdirektorin Johanna Schwanberg (links in der Mitte) und "Nachbarinnen"-Gründerin Christine Scholten (rechts in der Mitte) bei der Führung im Dom Museum Wien.
Das Foto zeigt zwei Mädchen, die eine Ziege hüten. Eines legt den Arm um das andere, beide lächeln. Die Aufnahme „The Shepherds“ könnte aus Europa oder Südamerika stammen. Gezeigt wird sie im Dom Museum Wien am Stephansplatz. Vor dem Bild stehen drei Frauen aus Somalia, die sich angeregt darüber unterhalten, was ihnen daran gefällt.
Was dieses Foto also auch zeigt: Die Sprache der Kunst ist universell. „In diesem Bild geht es um Freundschaft“, sagen Fertun, Ashe und Adar. Die Aufnahme erinnere sie an ihre Kindheit und an Freunde, die sie in Somalia zurückgelassen haben. Seit einigen Jahren leben sie in Österreich – doch es ist das erste Mal, dass sie hier ein Museum besuchen.
Möglich wurde das durch die NGO „Nachbarinnen“. Die Sozialorganisation hilft gezielt Migrantinnen, die am Rande der Gesellschaft stehen, sich zu integrieren, die Sprache zu lernen und einen Job zu finden. 400 Familien betreuen die „Nachbarinnen“ im Schnitt pro Jahr.
"Kultur löst etwas aus"
Wichtig für die Integration sei aber auch die Kultur, erklärt die Ärztin Christine Scholten, die Gründerin der „Nachbarinnen“: „Kultur löst in jedem Menschen etwas aus und sie kann auch den Weg in ein Land ebnen.“

Fertun, Ashe und Adar (v. li.) aus Somalia vor der Darstellung der zwei Freundinnen mit dem Titel "The Shepherds".
Daher kooperieren die „Nachbarinnen“ immer wieder mit Museen, unter anderem eben mit dem Dom Museum Wien. „Integration im breitesten Sinn ist auch uns ein großes Anliegen“, betont Direktorin Johanna Schwanberg. So habe man beispielsweise gezielt Menschen eingeladen, die an Demenz erkrankt sind, oder auch Obdachlose. „Wir wollen Menschen die Schwellenangst nehmen und ein Museum für alle sein“, fügt Schwanberg hinzu.
"Könnten uns alle ein Beispiel nehmen"
Diesmal gab es Führungen auf Somali, Farsi, Ukrainisch und Türkisch durch die aktuelle Ausstellung „In aller Freundschaft“. 35 Frauen mit Migrationshintergrund waren dabei. „Viele von ihnen waren davor noch nie in einem Museum. Und sie waren so aufmerksam und offen, dass wir uns alle ein Beispiel daran nehmen könnten“, beschreibt Scholten.

Die Ärztin Christine Scholten (Mitte) gründete die ozialorganisation „Nachbarinnen“. „Auch Kultur ist wichtig für die Integration“, weiß sie aus Erfahrung.
Danach konnten die Frauen gemeinsam selbst Bilder zum Thema „Freundschaft“ gestalten – und dabei vielleicht auch die eine oder andere Freundschaft schließen. „Beim Malen kommen sie ins Gespräch. Viele der Frauen haben ja grauenhafte Fluchtgeschichten hinter sich. In diesem Rahmen können sie auch über Erlebnisse sprechen, die sie belasten“, erzählt Scholten.
Beim KURIER-Lokalaugenschein zeigen sich die Frauen jedenfalls begeistert. „Viele der Bilder öffnen das Herz. Sie wecken Erinnerungen an unsere Kindheit und an unsere Familien“, sagen Ilhan und Muniiro aus Somalia. Somayeh und Manizha aus Afghanistan gefällt, dass viele der Werke von Frauen stammen.
Und nicht zu unterschätzen: „Wir haben neue Seiten von Wien kennengelernt“, sagt Somayeh. Davor sei sie noch nie in der Innenstadt gewesen. Das betont auch Fertun, die nicht nur vom eingangs erwähnten Bild der Hirtenkinder begeistert ist: „Der Stephansplatz ist jetzt mehr als nur eine U-Bahn-Station für mich.“ Sie wolle im Sommer mit ihren Kindern jedenfalls wieder ins Museum und in den 1. Bezirk kommen.
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