Kriminalität in Österreich - War früher alles viel schlimmer?
Polizei konnte Täter fassen.
Im Internet wird seit Tagen heftig diskutiert: Kann es wirklich sein, dass die Kriminalität in Österreich seit den 60er- und 70er-Jahren fast auf ein Viertel beziehungsweise Fünftel gefallen ist?
Gezeigt werden dazu eine Verurteilungsbilanz der Statistik Austria sowie eine neue Studie des Sozialwissenschaftlers Günther Ogris.
Tatsächlich ist die Zahl der gerichtlichen Verurteilungen in Österreich von über 120.000 in den 60ern auf zuletzt rund 25.000 gesunken. Von Experten aus dem Sicherheitsbereich heißt es allerdings, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Im vergangenen Jahrhundert war etwa Ehebruch oder Homosexualität (beides bis Mitte der 90er) strafbar.
In den 70ern gab es außerdem eine große Reform des Strafrechts und 2000 wurde die Möglichkeit der Diversion eingeführt, was rund 20.000 Verurteilungen eingespart hat.
Weniger Banküberfälle, mehr gesprengte Bankomaten
Gewisse Bereiche lassen sich allerdings genauer analysieren. Banküberfälle sanken von um die 150 pro Jahr auf rund zehn, wobei allerdings die Bankomatsprengungen dies wieder wett machen. Ähnliches lässt sich bei der Eigentumskriminalität beobachten, die allein im vergangenen Jahrzehnt um fast ein Drittel gesunken ist. Autodiebstähle sind heute eine Seltenheit., doch gleichzeitig explodierte die Internet-Kriminalität.
Serienmorde gibt es praktisch nicht mehr
Einiges wurde aber auch nicht kompensiert. Von einst knapp 3000 Verkehrstoten ist die Bilanz auf unter 400 gesunken. Auch lag die Zahl der Morde in den 70er-Jahren bei 100 bis 120 pro Jahr, heute sind es 40 bis 70. Serientäter wie Elfriede Blauensteiner oder Jack Unterweger findet man mittlerweile nur noch in Filmen oder Serien.
Auch der Terror war früher schlimmer, zwischen 1975 und 1985 wurden in Österreich 16 Anschläge mit zwölf Toten gezählt, später kamen die Briefbomben. Zum Vergleich: In diesem Jahrtausend gab es nur einen Anschlag in Wien.
Tatsächlich liefert auch die polizeiliche Anzeigenstatistik kein valides Ergebnis. So wurde die Zählweise mehrfach umgestellt. Früher galt ein Täter, der tausend Einbrüche und Diebstähle begangen hat, als ein Fall, heute sind es tausend - tatsächlich gibt es drei solche jungen Intensivtäter. Dennoch ist die Bilanz in diesem Jahrhundert relativ konstant bis leicht rückläufig.
In den vergangenen 80 Jahren sind mehr als 500 Polizisten im Dienst verunglückt oder ermordet worden - das kommt heute kaum noch vor. Auch mittlerweile pensionierte Ermittler meinen, dass es früher eher schlimmer war als heute. Nach einer Kriminalitätswelle im Zuge der Ostöffnung ab 1989 blieb die tatsächliche Gesamtkriminalität seit 2000 relativ konstant.
Dabei wuchs die Bevölkerung seit der Jahrtausendwende um circa 1,1 Millionen, vor allem Migranten. Damit lässt sich zumindest keine erhöhte Ausländerkriminalität belegen.
Keine höhere Kriminalität durch die Flüchtlingswelle
Dass es weniger Verurteilungen gibt, liegt auch daran, dass die Täter nicht greifbar sind, weil diese entweder über das Internet zuschlagen oder sehr mobile Banden sind. Letzteres ist laut einer deutschen Polizei-Untersuchung auch die Ursache dafür, dass 2014/2015 die Kriminalität während der Flüchtlingswelle kurz anstieg. Diese Entwicklung hatte vor allem damit zu tun, dass Gruppierungen aus dem Raum der ehemaligen Sowjetunion die chaotische Lage ausnützten, um einzubrechen und zu stehlen. Auch viele der modernen Delikte (falsche Polizisten, Bankomatprengungen, Internetbetrug) gehen auf das Konto von Kriminellen, die nicht in Österreich leben.
Natürlich kann das nicht darüber wegtäuschen, dass es auch Probleme gibt, die die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden verlangen. Vor allem abgelehnte Asylbewerber sind schwierig , da ihre Lage hoffnungslos ist und sie vielfach dennoch nicht abgeschoben werden können, weil sie von ihren Herkunftsländern nicht zurück genommen werden.
Und Jugendbanden sind ohnehin ein immer wiederkehrendes Problem. Waren es früher Skinheads, Hooligans, Punks oder später Red Brothers und nach Wiener Plätzen benannte Gruppen, so sorgen heute syrische, afghanische oder tschetschenische Banden für Probleme. Die Ursachen damals wie heute: Triste Familienverhältnisse und Armut.
Morde in der Oper oder der Kärntner Straße
Früher waren Bauten wie die Großfeldsiedlung typische Hotspots, auch haben viele vergessen, dass in Wien etwa die Kärntner Straße, der Gürtel, der Schwedenplatz, das Stuwerviertel oder der Karlsplatz schon als nächtliche No-Go-Areas galten. Auch dort standen Körperverletzungen und sogar Tötungsdelikte am Programm. Selbst noble Orte wie die Staatsoper oder das Burgtheater waren Schauplätze echter Morde.
Ein weiterer Grund ist auch die Halbierung des Konsums von Bier, Wein und Spirituosen seit den 70er-Jahren. Zu sehen war der Zusammenhang zwischen Lokalschließungen und dem Rückgang von häuslicher Gewalt etwa während der Corona-Zeit.
Fest steht jedenfalls, dass sich Sicherheitsgefühl und Wirklichkeit mitunter voneinander unterscheiden. Denn während die Kriminalität eher rückläufig bis konstant ist, haben immer mehr Menschen Angst, nachts in Teilen Wiens auf die Straße zu gehen.
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