Warum heute in ganz Österreich die Kirchenglocken geläutet haben

Mit dem Aufzug geht es rasch nach oben, ein paar Stufen "über eine Hühnerleiter" schreitet Dompfarrer Toni Faber voran, ehe jener Turm erreicht wird, in dem 13 Glocken des Wiener Stephansdoms hängen.
Die berühmte "Pummerin" ist nicht dabei, aber ihre kleine Schwester, die "halbe Pummerin", wie Toni Faber sie nennt. Tatsächlich heißt sie "Stephanusglocke", sie wiegt etwas mehr als fünf Tonnen.
Geläut mit tieferem Sinn
Am Freitag, um 15 Uhr, ließ der Dompfarrer diese Glocke läuten, dazu auch die anderen 12. Zwar läuten die Glocken des Stephansdoms sowieso zu jeder Stunde, dieses Geläut hat allerdings einen tieferen Sinn. "Die Glocken sind ein hörbares Zeichen, dass wir etwas tun können und etwas tun müssen", so Faber.
"Christliche Verantwortung"
Und zwar gegen den Hunger. "Wir Christen haben eine große Verantwortung für jeden hungernden Menschen auf der Welt", sagt Faber, während er auf die läutende Stephanusglocke blickt.
Klaus Schwertner, Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien, geht noch einen Schritt weiter. "Wenn im Jahr 2025 ein Kind auf der Welt an Hunger stirbt, ist das Mord", wird er deutlich, "die Glocken im Stephansdom und die 3.000 Glocken in Österreich machen auf das himmelschreiende Unrecht, den Hunger in der Welt, aufmerksam."
Gerade Kinder seien am stärksten betroffen, betont er: "Wir dürfen nicht still hinnehmen, dass etwa im Gaza-Streifen zwei Millionen Menschen unter Hunger leiden." Kriege und die Klimakrise würden die Problematik weiter verschärfen. Deshalb brauche es ein "weg vom nationalen Denken hin zu einer Globalisierung der Verantwortung".
Klimakrise verschärft Hunger auf der Welt
Gerade in Sachen Hunger sei die Klimakrise ein großes Thema, ergänzt Helga Kromp-Kolb, die Doyenne der österreichischen Klimawissenschafterinnen. "Je weiter die Klimakrise fortschreitet, umso mehr Menschen sind betroffen", unterstützt sie die Aktion der Caritas mit dem Läuten der Glocken, um ein Bewusstsein für die enge Verbindung von Klimakrise und Hunger zu schaffen, "denn die Klimakrise wirkt sich unmittelbar auf die Ernährungssituation vieler Menschen aus."

Toni Faber, Helga Kromp-Kolb, Klaus Schwertner.
Etwa, weil der Monsun in den Ländern des globalen Südens zu spät, zu viel oder zu unregelmäßig kommt.
Lob und Kritik für die Politik
Für die Politik gibt es aktuell ein wenig Lob von der Caritas, da 14 Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds für humanitäre Hilfe freigegeben wurden. Auf der anderen Seite kritisiert Schwertner, dass die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auch von Österreich gekürzt werden.
In diese Kerbe schlägt auch Caritas Österreich-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler. Sie sieht es als klare gemeinsame Verantwortung, mehr Klimagerechtigkeit für den globalen Süden zu schaffen: „Reiche Industrieländer verursachen durch Treibhausgasemissionen den Klimawandel. Gleichzeitig sind die ärmsten Länder, die am wenigsten dazu beitragen, am stärksten von den Auswirkungen betroffen. Demnach liegt es auch an uns als Hauptverursachern, die am stärksten Betroffenen darin zu unterstützen, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen und den Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zu vollziehen.“
Kromp-Kolb: "Bewusstsein fehlt"
Bei diesem nötigen Wandel ortet Klimawissenschaftlerin Kromp-Kolb noch fehlendes Bewusstsein, bei den Menschen selbst, viel mehr aber noch bei der Politik: "Vielen Politikern ist die Dringlichkeit nicht bewusst." Und es fehle am Interesse, sich zu informieren. "Man bräuchte nur den Klimasachstandsbericht lesen, stattdessen wird die Pendlerpauschale erhöht", kann Kromp-Kolb nur den Kopf schütteln.
Was vielen auch noch nicht bewusst sei: Dass gerade ökologisches Handeln auch ökonomisch Sinn mache. Interessensvertretungen würden noch zu stark an der Vergangenheit festhalten, um mit klimaschädlichen Positionen weiter profitieren zu können.
Dabei führe ökologisches Handeln zu ökonomischem Erfolg, zusätzlich zu einer besseren Lebensqualität und dem Schutz des Klimas. Auch darauf soll das Läuten der Glocken hinweisen.
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