„Der Klimawandel ist längst bei uns angekommen – und er betrifft unser aller Leben“, sagt Umweltminister Norbert Totschnig zum Bericht. „Die Zahlen sind eindeutig, aber sie sind kein Grund zur Resignation, sondern ein klarer Auftrag zum Handeln.“
Extremwetter: Hitze, Trockenheit, Muren
Besonders alarmierend ist die Zunahme von Extremwetterereignissen: Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Muren treten häufiger und intensiver auf. In Städten wie Wien, Graz oder Linz verstärkt der sogenannte Wärmeinsel-Effekt die Belastung zusätzlich. Die Zahl der Hitzetage habe sich seit den 1980er-Jahren verdreifacht. Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, nehmen zu – mit steigenden Gesundheitsrisiken, insbesondere für ältere und ärmere Menschen.
„Ohne Gegenmaßnahmen könnten Hitzeextreme künftig drei Mal so häufig auftreten wie heute“, warnt Klimaforscher Harald Rieder von der BOKU Wien.
Auch der alpine Raum steht unter Druck: Rückläufige Schneemengen und auftauender Permafrost gefährden nicht nur Wintersport und Tourismus, sondern auch Siedlungen und Infrastrukturen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird je nach Emissionsverlauf die Dauer der Schneedecke selbst in höheren Lagen um weitere 60 bis 80 Tage abnehmen. Muren, Rutschungen und Hochwasser drohen zuzunehmen – besonders dort, wo Anpassungskapazitäten begrenzt sind.
Teure Untätigkeit
Die Schäden durch Klimafolgen sind bereits heute beträchtlich: Rund zwei Milliarden Euro jährlich beziffert der Bericht den Status quo. Ohne wirksame Gegenmaßnahmen könnten diese bis 2050 auf 10,8 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Das reicht von Gesundheitsfolgen über Ernteausfälle bis zu beschädigter Infrastruktur.
„Ein vorausschauender, systematisch geplanter Klimaschutz rechnet sich – ökologisch, wirtschaftlich und sozial“, betont Co-Autor Rieder. „Klimaschutz ist eine Investition in Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität.“
Emissionen: Noch klafft eine (teure) Lücke
Zwar sind Österreichs Emissionen in den vergangenen Jahren gesunken – auch infolge hoher Energiepreise –, doch das reicht nicht. Laut dem Bericht droht eine Reduktionslücke von rund 10 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten bis 2030, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen gesetzt werden. Das nationale Ziel der Klimaneutralität bis 2040 sei nur durch rasches Handeln erreichbar.
„Unser verbleibendes CO₂-Budget ist weitgehend aufgebraucht“, sagt Keywan Riahi vom IIASA. „Nur durch zusätzliche Maßnahmen kann Österreich seinen Beitrag zum Pariser Abkommen leisten.“
Strukturprobleme und hohe Hürden
Ein zentrales Problem: die zersplitterte Zuständigkeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die effektive Klimapolitik oft blockiert. Die Wissenschaftler fordern einen klaren, gesetzlich verbindlichen Rahmen und koordinierte Strategien. Anpassungsmaßnahmen müssten nicht nur beschlossen, sondern auch finanziert und vor Ort umgesetzt werden.
„Ohne verbindliche Regeln und ausreichende Mittel bleiben viele Maßnahmen wirkungslos“, heißt es im Bericht.
Transformation als Chance
Der Weg zur Klimaneutralität erfordert zusätzliche Investitionen zwischen 6,4 und 11,2 Milliarden Euro pro Jahr – etwa für Gebäudesanierung, Elektrifizierung von Industrie und Mobilität sowie den Ausbau erneuerbarer Energie. Doch diese Investitionen lohnen sich: Sie reduzieren langfristig die Importabhängigkeit, schaffen Arbeitsplätze, verbessern die Luftqualität und erhöhen die Standortattraktivität.
„Klimaschutz ist kein Kostentreiber, sondern eine Chance für Innovation, Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt“, betont IIASA-Experte Daniel Huppmann.
Soziale Gerechtigkeit im Fokus
Der Bericht macht deutlich: Nicht alle Menschen sind gleich betroffen – und nicht alle sind gleich verantwortlich. Menschen mit niedrigem Einkommen, Ältere und Alleinerziehende leiden besonders unter den Folgen des Klimawandels. Gleichzeitig stammt der Großteil der Emissionen in Österreich vom reichsten Zehntel der Bevölkerung, das im Schnitt viermal so viel CO₂ verursacht wie das ärmste Zehntel.
Eine erfolgreiche Klimapolitik müsse deshalb auch sozial gerecht gestaltet sein, fordert der Bericht. Nur wenn Klimaschutz mit Verteilungsgerechtigkeit verknüpft wird, sei er politisch tragfähig.
„Wir wissen, was zu tun ist. Jetzt liegt es an Politik, Wirtschaft – und uns allen, den Wandel gemeinsam zu gestalten“, sagt Margreth Keiler von der Universität Innsbruck.
Der vollständige Bericht ist ab 11 Uhr unter https://aar2.ccca.ac.at/de abrufbar.
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