Kindeswohlgefährdung: „Wir können nicht alles sehen“

Wienerberg, Baby, Favoriten, Wien
In zwei Fällen ließen Eltern kürzlich ihre Kinder zurück. Wie oft die Wiener Kinder- und Jugendhilfe eingreift.

Der kleine Luka war laut Angaben der Eltern erst zwei Wochen in Wien, als sie ihn in einem Kinderwagen am Wienerberg zurückließen. Ein anderes Paar ließ ihren zweijährigen Buben im Kofferraum ihres Autos, während sie in ein Restaurant gingen. Beide Fälle haben vor allem eines gemeinsam:

Ohne aufmerksame Passanten hätte den Kindern weit Schlimmeres passieren können. Fälle wie diese sowie die anschließende Medienberichterstattung würden das Bewusstsein der Bevölkerung schärfen, berichtet Ingrid Pöschmann, Sprecherin der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11).

"Anrufe bei Hotline nehmen zu"

„Die Anrufe bei unserer Hotline nehmen zu. Wir selbst können nicht alles sehen, deswegen sind wir auf das wachsame Auge der Bevölkerung angewiesen“, erklärt Pöschmann. Der neun Monate alte Luka befindet sich derzeit bei einer Krisenpflegemutter, mit den Eltern konnte die MA 11 noch keinen Kontakt aufnehmen. 

Auch die Einvernahmen bei der Polizei gestalteten sich – unter anderem wegen starker Alkoholisierung – schwierig. „Luka wurde in Odessa geboren, und nicht in Wien. Seine Geschwister leben in der Ukraine und in Argentinien in der Obhut ihrer Oma bzw. Tante“, erklärt die MA11-Sprecherin.

Hilfeplan für Eltern

Ob eine dieser Erziehungsberechtigten möglicherweise auch Luka aufnehmen könnte, ist derzeit noch unklar. „Die Gespräche mit dem Umfeld laufen“, so Pöschmann. Beide Eltern wurden wegen des Verdachts des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger Personen angezeigt. Anders gestalte sich der zweite Fall, bei dem sich die Eltern äußerst kooperativ zeigen würden. „Der Bub ist bei seinen Eltern daheim, wir arbeiten derzeit gemeinsam einen Hilfeplan aus“, betont Pöschmann.

Hausbesuche und Gespräche

Dieser umfasst regelmäßige Hausbesuche wie Gespräche im Rahmen der Elternberatung sowie eine Beobachtung des Umfelds. Der 37-jährige Vater wurde angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Wien prüft nun, ob mögliche Straftatbestände gegen die Eltern vorliegen.

In beiden Fällen führte die Kinder- und Jugendhilfe eine sogenannte Gefährdungsabklärung durch. Das kann in der Regel sechs bis acht Wochen in Anspruch nehmen. Dabei werden Informationen über die Familiensituation, das Umfeld sowie die Entwicklung des Kindes gesammelt, Gespräche mit den Eltern geführt und wenn nötig, auch Beobachtungen vor Ort gemacht, etwa in der Wohnung.

13.181 Abklärungen

In Wien gab es im vergangenen Jahr 13.181 Gefährdungsabklärungen bei Kindern. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren waren es noch 9.800. Den Anstieg könne man u. a. durch das gestiegene Bewusstsein in der Bevölkerung erklären, heißt es von der MA 11. Im Vorjahr wurden 918 Kinder in Krisenzentren untergebracht, 138 bei Krisenpflegeeltern. Wenn ambulante Maßnahmen nicht greifen, können Kinder auch in sozialpädagogischen Einrichtungen untergebracht werden: 2024 betraf das 615 Minderjährige, 102 kamen bei Pflegeeltern unter.

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