Spendeneinbrüche: "Kinderkrebshilfe Wien-NÖ-Bgld" schlägt Alarm

Dass Vilma S. noch Dankbarkeit empfinden kann, grenzt an ein Wunder. Bei ihren eineiigen Zwillingssöhnen Tim und Finn wurde kurz nach der Geburt Krebs diagnostiziert. Finn starb im Alter von fünf Monaten, Tim wurde zehn Monate alt.
Und dennoch kommt das Wort Dankbarkeit über ihre Lippen, unter Tränen und mit zittriger Stimme, aber trotzdem deutlich. Und zwar dann, wenn es um die Arbeit der „Kinderkrebshilfe Wien-NÖ-Bgld“ geht.
Seit fast 40 Jahren besteht der aus Spenden finanzierte Verein, der 1986 selbst von betroffenen Eltern gegründet wurde, und unterstützt Familien, wenn ein Kind an Krebs erkrankt ist. Vor wenigen Wochen schlug Obmann René Mulle Alarm, weil die Spenden, vor allem wegen der generell angespannten wirtschaftlichen Lage, eingebrochen sind, diese seien „fast um ein Drittel weniger“, wie er beim Gespräch mit dem KURIER präzisiert.
Der Verein
Die Kinderkrebshilfe Wien wurde 1986 von betroffenen Eltern als Kinder-Krebshilfe Elterninitiative, die erste ihrer Art, gegründet, um
krebskranke Kinder und Jugendliche sowie ihre
Angehörigen zu unterstützen. Informationen für Betroffene, Angehörige und Interessierte unter: kinderkrebshilfe.wien
Spendenkonto
BAWAG PSK
IBAN: AT25 1400 0063 1066 6066
BIC: BAWAATWW
Spenden an die an die Kinderkrebshilfe Wien-NÖ-Bgld sind seit mehreren Jahren steuerlich absetzbar.
Zunächst Skepsis
Dabei sind die Leistungen, die der Verein bietet, für die Familien und erkrankten Kinder unersetzlich. Das sagt auch Vilma, die zunächst skeptisch war, als sie im Spital von einer Sozialarbeiterin der Kinderkrebshilfe angesprochen wurde. „Are you fucking serious?“ (Ist das Ihr verdammter Ernst?, Anm.). Das habe Sie damals gedacht. „Was willst du für uns tun? Mein Kind hat Krebs!“
Doch tun konnten sie eine Menge. Dank des Externen Onkologischen Pflegediensts (EOP) können Kinder zum Teil auch zu Hause in den eigenen vier Wänden betreut werden. Die Krankenpflegerinnen sind zwar beim St. Anna Kinderspital angestellt, werden aber zu 100 Prozent von der Kinderkrebshilfe finanziert.
„Ohne sie wären wir gar nicht nach Hause gekommen“, sagt S. Und die Familie hätte sich viele zehrende Besuche in der Tagesklinik erspart, die für Kinder während intensiver Chemotherapie eine Belastung sind. Verbandswechsel, Katheter durchspülen. Blutabnahme und das Verabreichen von Medikamenten kann der EOP übernehmen. Als Finn palliativ behandelt werden musste und ein Beatmungsgerät brauchte, wurde dieses ebenfalls von dem mobilen Pflegedienst organisiert.
„Sie waren eine unfassbare emotionale Stütze“, sagt S. „In Krankenhäusern wird die Krankheit behandelt, der EOP betreut die gesamte Familie. Sie kennen die Wohnsituation, waren mehrere Stunden am Stück bei uns und haben uns in den letzten Stunden beider Kinder begleitet.“
Die Kosten für den EOP und die Sozialarbeiter, pro Jahr belaufen sich diese auf rund eine Million Euro, würden vom Staat Österreich nicht getragen werden, sagt Mulle. Da man gut haushalte, stehe man nicht vor dem Aus. „Aber wenn die Spendenentwicklung so weitergeht, wird es schwieriger, diese Projekte am Leben zu halten.“
"Sie waren eine unfassbare emotionale Stütze."
über die Arbeit der Kinderkrebshilfe
Stapel von Inkassobriefen
Unter diese Projekte fällt auch die organisatorische Unterstützung der Sozialarbeiter. Als frischgebackene Mutter, beruflich selbstständig, mit zwei Kindern mit Krebsdiagnose seien sie und ihr Mann Manfred im „Überlebensmodus und im Schockzustand gewesen“. Nach Wochen mit Spitalsaufhalten hätten sich die Inkassobriefe gestapelt. „Ich hatte nicht die Kraft, wo anzurufen und meine Situation zu erklären.“ Das habe dann die Kinderkrebshilfe übernommen.
S. ist kaum zu stoppen, wenn es um die Hilfestellungen des Vereins geht. Diese reichen von finanziellen Zuschüssen für die Begräbnisse beider Söhne bis hin zu „einer Million Kleinigkeiten“ wie etwa vergünstigtes Parken.Dass Personen, die mit der Kinderkrebshilfe in Kontakt waren, dieser oft verbunden bleiben, sei kein Einzelfall. In Illmitz würden etwa seit 13 Jahren Benefizkonzerte veranstaltet.
Das allein reiche aber nicht. Ein Problem sei auch, dass viele potenzielle Spender die Kinderkrebshilfe, St. Anna und die Kinderklinik im AKH nicht unterscheiden können und darum nicht an die Kinderkrebshilfe spenden – „überall wird gute Arbeit geleistet“, betont Mulle. „Aber die Leute sollen entscheiden können, für welches Angebot sie spenden.“
Seine Aufgabe sieht er in der Bewusstseinsbildung und diese lasse sich am besten mit Veranstaltungen schaffen. Darum geht heuer bereits zum zweiten Mal der Hoperun über die Bühne.
Auf Keszlers Spuren
Das Thema sei schwierig, weil sich viele nicht mit kranken Kindern befassen und belasten wollen. „Ich habe oft gehört, bitte erzähl mir das gar nicht“, sagt S.
Mulle will dem entgegenwirken. „Mein Traum ist, das zu schaffen, was Gery Keszler gelungen ist. Dieser hat die Erkrankung HIV mit dem Life Ball aus dem Tabu geholt und die Politprominenz tummelte sich dort“. Er selbst will nächstes Jahr anlässlich des 40-jährigen Jubiläums einen lebensbejahenden Ball organisieren.
Warum S. die Kraft aufbringt, über ihre Familie zu sprechen. „Weil ich es wahnsinnig wichtig finde, auf die Kinderkrebshilfe aufmerksam zu machen“, sagt sie, erneut unter Tränen. „Weil ich nicht wüsste, wie man das alles ohne sie schafft.“
Kommentare