Kinder- und Jugendhilfe nach Kindesabnahme „Willkür gibt es nicht“

Es klingt wie ein Albtraum für Eltern: Kurz vor Weihnachten wurden der bekannten Wiener Strafverteidigerin Liane Hirschbrich die neugeborenen Drillinge abgenommen. Sie ging an die Öffentlichkeit und kritisierte die zuständige Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) massiv. Unter anderem sei das Amt eingeschritten, weil sie zu viel arbeite.
Seither herrscht Beunruhigung in der Bevölkerung. Die MA 11 hat darum beschlossen, den Fall offenzulegen. Ingrid Pöschmann, Sprecherin der MA 11, erklärt im KURIER-Interview die Hintergründe und erklärt die Arbeitsweise des Magistrats.
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KURIER: Was muss passieren, damit jemandem das Kind abgenommen wird?
Ingrid Pöschmann: Die wesentlichen Gefährdungsaspekte sind körperliche, psychische und sexuelle Gewalt sowie Vernachlässigung. Wenn jemand bei uns anruft, dann nennen wir das eine Gefährdungsmeldung. Danach startet die Abklärung. Wenn die Kooperationsbereitschaft vonseiten der Obsorgeberechtigten nicht gegeben ist, dann müssen wir im Sinne des Kinderschutzes handeln. Das heißt: Wenn wir erkennen, dass der Kinderschutz gefährdet ist, müssen wir Sofortmaßnahmen setzen und das Kind aus der Familie nehmen.
Die Angst in der Bevölkerung ist groß, dass Kindesabnahmen willkürlich passieren. Wer entscheidet darüber?
Willkür gibt es nicht. Wir arbeiten nach standardisierten Verfahren. Es gibt ganz klare Qualitätskriterien und wir müssen jede Sofortmaßnahme sofort dem Gericht melden. Letztendlich ist es eine Gerichtsentscheidung. Wir haben aber die Möglichkeit, bei Gefahr in Verzug sofort zu handeln. Wir versuchen, mit den Eltern zu erarbeiten, was es braucht, damit die Kinder schnellstmöglich wieder zurück können.
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Warum sind Sie bei der Drillingsmutter eingeschritten?
Es gab bereits eine Vorgeschichte. Begonnen hat es 2022 mit einer Gefährdungsmeldung der Schule des 11-jährigen Sohnes. Die Schule war besorgt, weil das Kind nicht ausreichend gefördert wird und uns wurde mitgeteilt, dass die Mutter nicht kooperiert. (Die Bildungsdirektion bestätigt diese Darstellung auf KURIER-Anfrage). Im Oktober hat sie Drillinge bekommen, die zu früh geboren wurden und darum einen erhöhten Pflegebedarf haben. Sie hat zunehmend müder gewirkt, aber nie konkret über Hilfe gesprochen. Anlass der Gefährdungsmeldung war dann, dass sie den dritten Säugling nach Abraten der Ärzte mit nach Hause genommen hat und über kein Unterstützungsnetzwerk verfügte. Bei der Abholung des Säuglings war polizeiliches Einschreiten notwendig. Der Verdacht der Kindeswohlgefährdung plus die Vorgeschichte haben dazu geführt, dass wir die Kinder mitgenommen haben.

MA11-Leiterin Ingrid Pöschmann
Die Babys wurden abgenommen, der 11-Jährige nicht?
Bei Babys muss man oft schneller handeln, da das Gefährdungspotenzial (z. B. Dehydrierung) erhöht ist. Darum konnten wir auch nicht bis nach Weihnachten warten. Beim Pflegschaftsgericht läuft aber ein Verfahren bezüglich des Sohnes, wo wir die Erziehungskompetenz der Mutter überprüfen lassen. Da wird sich herausstellen, was das Kind braucht, um sich bestmöglich zu entwickeln.
Laut der Mutter wird sie wegen ihrer Doppelbelastung durch Karriere und Kinder bestraft.
Das Lebenskonzept der Eltern ist deren Sache. Wir haben ja oft nicht nur Menschen, die Karriere machen wollen, sondern auch welche, die arbeiten müssen, weil sie alleine sind. Für uns ist wichtig, dass die Kinder bestmöglich betreut werden. Der Background, also ob sie Juristinnen, Verkäuferinnen oder Kindergärtnerinnen sind, ist uns ganz egal. Wir lassen uns auch nicht beeindrucken, wenn es sich um eine Anwältin handelt. Der Kinderschutz muss sichergestellt sein.
Sie wurden in den vergangenen Tagen auch als Angstbehörde bezeichnet. Können Sie das nachvollziehen?
Und ist wichtig, dass uns die Bevölkerung als kompetente Anlaufstelle erlebt. Bei uns kann man anrufen und sagen, dass man Unterstützung braucht. Darum haben wir uns dazu entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen, um der Bevölkerung unsere Arbeit und Vorgehensweise darzulegen.
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