Keine Abriss-Meldung für die Mieter

Andreas Vesely zeigt, welcher Teil des Hauses schon abgerissen wurde.
Ein Gründerzeithaus in der Radetzkystraße soll abgetragen werden, die Bewohner wehren sich.

Dass die Nachbarn im Grätzel über den Abbruch eines Gebäudes informiert werden, die Bewohner des betroffenen Wohnbauses aber nicht, klingt kurios. Genau das erlebten vor wenigen Tagen Mieter in der Radetzkystraße. Ungefähr 40 besorgte Menschen sind deswegen am Freitagabend zu der Adresse in Wien-Landstraße gekommen, um gegen den Abriss des Gründerzeithauses zu demonstrieren.

Das Gebäude steht seit 171 Jahren an der Ecke zur Dampfschiffstraße. Es wurde 1847 als erstes Zinshaus im Stil der Neogotik von Josef Kastan erbaut. Der markante Turm, der Richtung Donaukanal schaut, ist seit wenigen Tagen mit einem Baugerüst ummantelt. Eine böse Überraschung für die 25 Hausbewohner – der plötzliche Beginn der Bauarbeiten hat einen bestimmten Grund.

Am 1. Juli soll ein Punkt der neuen Wiener Bauordnung in Kraft treten. Immobilien-Spekulanten können Gründerzeithäuser und Gebäude, die vor 1945 gebaut wurden, dann nur mehr unter erschwerten Bedingungen abreißen. Durch die Novelle der Bauordnung können nämlich dann auch Häuser, die außerhalb von Schutzzonen stehen (Erklärung, siehe Kasten rechts), in eine Schutzzone umgewandelt werden. Im konkreten Fall ist das durchaus denkbar, denn das Gebäude wird in architektonischer Fachliteratur erwähnt, was ein wichtiges Kriterium für die Ernennung zu einer Schutzzone ist. Immobilien-Spekulanten sehen die Novelle als Einschnitt in ihr lukratives Geschäft, weil die Sanierung alter Häuser weniger Geld bringt, als der Neubau luxuriöser Appartments.

Beschädigt

Jetzt haben wenige Tage vor dem Inkrafttreten der Bauordnung plötzlich Abrissarbeiten begonnen. „Ein Teil des Eckturms wurde schon am Freitag abgetragen. Es heißt, dass nur der Dachstuhl abgedichtet werden soll, beantragt ist aber ein totaler Abriss. Der Teilschaden am Eckturm ist jetzt da“, sagt Andreas Vesely. Die Mieter befürchten, dass der Eigentümer die Fassade absichtlich demolieren lassen könnte, damit diese per 1. Juli nicht mehr als erhaltenswert gilt. Andreas Vesely hat eine Petition eingebracht, hofft damit und durch die Demo, den Eigentümer zum Einlenken zu bewegen. Besitzer des Hauses ist seit einigen Monaten eine Immo-Gruppe, die schon mehrere Wiener Häuser in Luxusappartements umgebaut hat. Solange noch Mieter in der Radetzkystraße 24-26 wohnen, wird es laut Mieterhilfe keinen Abriss geben – zumindest nicht in den Teilen des Hauses, die bewohnt sind. Das Service der Stadt will in den nächsten Tagen eine Mieterversammlung abhalten. Die Baupolizei ist laut dem Büro der zuständigen Stadträtin Kathrin Gaal, außerdem jeden Tag vor Ort und überprüft die Baustelle. Viel tun kann sie aber nicht. Solange sich der Abriss auf den unbewohnten Teil des Gebäudes beschränkt, läuft nach bisheriger Bauordnung alles legal. Den Mietern wird derweil kontinuierlich ihr Zuhause mit Schlagbohrern zerstört.

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