KAV: Frustrierte Mitarbeiter und Führungschaos

Lokalaugenschein im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien-Favoriten am 06.08.2014, wo man für die Versorgung von Ebola-Patienten gerüstet wäre. Mehrere Krankenzimmer mit Unterdruck und Sicherheitsschleusen stehen in der Infektionsabteilung für Hochrisikopatienten zur Verfügung.
Rechnungshofbericht prangert gravierende Missstände in Österreichs größtem Gesundheitsbetrieb an.

Der Krankenanstaltenverbund (KAV) ist mit 29.000 Beschäftigen Wiens größtes Unternehmen. Dazu gehören sämtliche Städtischen Krankenhäuser, Teile des AKH, Geriatriezentren und Pflegeheime. Als der Deutsche Gesundheitsökonom Udo Janßen 2013 in den KAV-Vorstand geholt und im November 2014 zum Generaldirektor bestellt wurde, sollte er das Städtische Spitalswesen auf neue Beine stellen und Großprojekte wie den Bau des Krankenhauses Nord friktionsfrei über die Bühne bringen.

Doch nach zweijähriger Tätigkeit an der Spitze holt den einst mit viel Vorschusslorbeeren gefeierten Spitalsmanager nicht nur die Kostenexplosion beim Bau des Krankenhauses Nord und zuletzt der Streit mit aufgebrachten Ärzten auf den Boden der Realität. Ein brandheißer Rohbericht des Rechnungshofs befeuert jetzt die Debatte um die KAV-Führung sowie die politische Verantwortung.

Auf mehr als 100 Seiten prangern die Kontrollore ein Führungschaos an der KAV-Spitze an. Es existiere kein effizientes Controlling, dazu kommen hohe externe Beratungskosten und überzogene Gagen. Und der Rechnungshof zeigt auf, dass sich der Führungsstil des Generaldirektors negativ auf die Stimmung der Mitarbeiter an der KAV-Spitze ausgewirkt haben soll (siehe Zusatzbericht).

Was sich wie ein roter Faden durch den Rohbericht – zu dem sich die zuständige Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) auf KURIER-Anfrage nicht äußern wollte – zieht, ist eine klare Empfehlung an den Wiener Bürgermeister: Der Krankenanstaltenverbund sollte nach Meinung des Rechnungshofs vom Magistrat losgelöst und zu einem stadtnahen Betrieb umgewandelt werden. Die Idee ist nicht neu: Die Herauslösung hatte 1989 eine internationale Expertengruppe vorgeschlagen.

Der KAV gehört seit Jahren zu den heißen politischen Eisen Wiens. Obwohl bereits in den 1990er-Jahren gegründet, beschloss der Gemeinderat erst 2012 erstmals 42 strategische Ziele für vier Jahre. Doch zeitliche Vorgaben wurden kaum gemacht. Was die Gemeindepolitiker daher nie erreichte, waren aussagekräftige Unterlagen, warum Ziele nicht erreicht und welche Konsequenzen daraus gezogen wurden.

Heftig kritisiert wird die KAV-Führung. Generaldirektor Janßen delegierte 2015 seine Zuständigkeit für alle Schlüsselbereiche der Betriebs- und Geschäftsführung (Personal und Finanzen) an die anderen Vorstandsmitglieder. Zielvorgaben wurden aber keine vereinbart. Gleichzeitig kritisiert der Rechnungshof Janßens Monatsgage von 24.000 Euro und die der anderen Vorstände. Deren Durchschnittseinkommen liege deutlich über jenen der Manager anderer staatsnaher Betriebe.

Kontroll-Chaos

Wie unprofessionell das Management agiert haben soll, zeigt der Rechnungshof anhand der Kontrollsysteme auf. Der KAV ist der größte Einkäufer im Gesundheitsbereich in Österreich. Eine Milliarde Euro werden jedes Jahr ausgegeben. Doch in der KAV-Generaldirektion rund um Udo Janßen fehle laut Prüfern ein "gesamthafter Überblick. Beschaffungen erfolgten "zentral, dezentral, uneinheitlich und zum Teil ohne Vorgaben".

KAV: Frustrierte Mitarbeiter und Führungschaos
Interview mit Prof. Dr. Udo Janßen, Generaldirektor des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV). Wien, 31.10.2014
Für Janßen (Bild) und den KAV kommt es in dem Bericht noch dicker: Laut Prüfer war keine "gesamthafte Risikostrategie festgelegt, ein ganzheitliches Risikomanagement existierte nicht". Die Verantwortung selbst war auf verschiedene Vorstandsbereiche verteilt.

Und: Der von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely 2012 eingerichtete, aber zahnlose KAV-Aufsichtsrat (kann den Vorstand weder abberufen noch bestellen) beschäftigte sich erst Ende 2015 erstmals mit der Frage eines internen Kontrollsystems. Nicht gut bestellt sei es, laut den Prüfern, auch um die Antikorruptionsmaßnahmen im KAV. Laut Rechnungshof sei Österreichs größter Gesundheitsdienstleister "mit äußerst vielfältigen Korruptionsrisiken konfrontiert". Doch bis heute existiere weder eine Analyse noch ein Korruptions-Präventions- programm.

Dafür verdreifachten sich die externen Beratungsleistungen: Von 2012 bis 2015 wurden 48 Millionen Euro dafür ausgegeben. Sechs Millionen Euro konnten weder einem Projekt noch einem Auftrag zugeordnet werden. Auch externe Anwälte wurden demnach ohne Ausschreibung herangezogen.

Mitarbeiter frustiert

Im Prüfbericht wird auch das Ergebnis einer Mitarbeiter-Befragung in der KAV- Generaldirektion – also unter Janßens engsten Mitarbeitern – aus dem Jahr 2015 veröffentlicht. Die Ergebnisse sind für den Generaldirektor alles andere als schmeichelhaft: Nur 52 Prozent sagten, die Arbeit ist nützlich und wertvoll (2012 waren es noch 70 Prozent). Im Vorjahr waren nur noch 47 Prozent mit ihrer eigenen Arbeitssituation zufrieden (2012: 57 Prozent). Fast jeder vierte Mitarbeiter (24 Prozent) in der KAV-Generaldirektion verspürte den Wunsch, mit dem Beruf aufzuhören. 18 Prozent waren gar fix entschlossen, zu gehen.

Unzufriedenheit gibt es auch mit dem Feedback der Führung: 28 Prozent sagten, sie würden zu wenig klare Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit erhalten. Aber auch bei den Handlungsspielräumen hatten sich die Werte seit 2012 deutlich verschlechtert.

KAV-Generaldirektor Udo Janßen wollte auf KURIER-Anfrage nicht persönlich Stellung nehmen. „Der KAV kommentiert den Rohbericht nicht im Detail über die Medien“, sagt seine Sprecherin Nani Kauer. Der Bericht sei nur ein Rohbericht, der KAV habe drei Monate Zeit für eine Stellungnahme. „In vielen Bereichen, wo der Rechnungshof Handlungsbedarf sieht, haben wir aber bereits Maßnahmen gesetzt“, sagt Kauer und verweist etwa auf den Vorstandsbereich „Shared Service Center Einkauf“, der den Einkauf zentral regeln soll. Zu den hohen Gagen der Vorstandsmitglieder, sagt Kauer: „Diese wurden in der Gemeinderätlichen Personalkommission beschlossen und sind seit Langem bekannt.“

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