Karlskirche: Sechs Euro für ein Halleluja

Karlskirche: Sechs Euro für ein Halleluja
Wenn Gotteshäuser Eintritt verlangen, kommt das Geld ihrer Erhaltung zugute. Die Aufregung unter Gläubigen ist groß.

Melanie Bernhardt ist wirklich nicht zu beneiden. Sie sitzt in dem winzigen Kassa-Häuschen am Eingang zur Wiener Karlskirche und muss sich dort einiges anhören. „Es kommt täglich zu Beschwerden“, erzählt die 20-Jährige. Vor allem heimische Besucher wollen wissen, warum sie sechs Euro Eintritt zahlen sollen – wo sie doch als Katholiken brav ihren monatlichen Kirchenbeitrag leisten.

Dann sagt Bernhardt jedes Mal ihren Stehsatz auf: Dass das Gotteshaus nicht von der Kirche, sondern vom Verein der Freunde und Gönner der Wiener Karlskirche erhalten werde. Und dass im Preis ein Audio-Guide, der Eintritt ins Museum sowie die Fahrt mit dem Panoramalift in die Kuppel inkludiert sei. Und dort könne man immerhin in 32 Meter Höhe die 1250 Quadratmeter große, weltberühmte Freskenmalerei von Michael Rottmayr ganz aus der Nähe erleben.

Empört

Karlskirche: Sechs Euro für ein Halleluja

Eine Doppelseite seines Wien-Reiseführers ist dem barocken Prachtbau Fischer von Erlachs gewidmet, deshalb kam der 38-jährige Vladimir hierher. „Es ist den Eintritt nicht wert“, findet er. Geboren in Russland, aufgewachsen in Israel, lebt er jetzt in Frankreich. „Sechs Euro verlangen sie – das ist verrückt! Um zehn Euro kann ich einen Tag im Pariser Louvre verbringen.“

Das hört Georg Gaudernak gar nicht gerne. „Die Touristen, die glauben, sie können sich ein Kulturdenkmal erster Qualität anschauen und sich dann über den Eintritt beschweren, sind Schnorrer. Sie haben ja auch kein Problem, nachher im Lokal sechs Euro für einen Kaffee auszugeben.“

Gaudernak ist 85 Jahre alt und ein Viertel seines Lebens Präsident des Vereins der Freunde der Wiener Karlskirche. Architekt Clemens Holzmeister gründete diesen im Jahr 1966 mit dem Ziel, den Bestand des Barock-Baus zu erhalten.

Restauriert

In den vergangenen zehn Jahren flossen mehr als sechs Millionen Euro in die Renovierung der Karlskirche. Ein Betrag, der weitgehend von den Eintrittsgeldern der jährlich 250.000 Besuchern aufgebracht wurde. Gaudernak: „Es gibt dauernd etwas zu restaurieren. Allein die Engel kosten 700.000 Euro.“ Das Eintrittsgeld werde daher nicht infrage gestellt – trotz aller Proteste. „Wir können die Kirche ja nicht verfallen lassen. Denn die Diözese hat dafür kein Geld.“

Jede Pfarre sei wie ein Kleinunternehmen geführt, das sich selbst erhalten müsse, erklärt Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien. „Aber ich verstehe den Ärger der Menschen. Auch Kardinal Schönborn will, dass die Kirchen offenstehen.“ Daher müsse gewährleistet sein, dass man als Nicht-Tourist in jedem Gotteshaus einen Platz für Stille und Gebet findet.

Butterbrot und Beten

So wurde in der Karlskirche eine eintrittsfreie (aber ziemlich schmucklose) Andachtskapelle für Gläubige eingerichtet. „Unmöglich“, findet das eine 60-jährige Wienerin. „Warum kann ich nicht in der Kirche meinen Rosenkranz beten?“

Karlskirchen-Vereins-Obmann Georg Gaudernak winkt ab. „Aber geh. Die Menschen kommen doch nicht zum Beten. Sie kommen mit Rucksack, Fotoapparat und Butterbrot – und plötzlich sind sie für zwei Minuten religiös.“

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