Kamera vor Bank verhilft Unfallfahrer zu Freispruch

Kamera vor Bank verhilft Unfallfahrer zu Freispruch
Ein Autofahrer rammte einen Schüler. Der Film aus einer Alarmkamera zeigte, dass er den Buben nicht rechtzeitig sehen konnte.

Für das Opfer ein traumatisches Erlebnis, für jeden Autofahrer ein Albtraum, für Juristen ein Klassiker: Ein 14-jähriger Bub läuft vor einen Wagen, wird über die Kühlerhaube geschleudert und schwer verletzt.

Die Anklage gegen den 53-jährigen Lenker ist rasch verfasst: „Sie haben am 28. März 2012 in Wien 21 durch Außerachtlassen der im Straßenverkehr notwendigen Sorgfalt und Aufmerksamkeit einen Verkehrsunfall verursacht, indem sie den minderjährigen Fußgänger R. übersehen haben, der die Prager Straße queren wollte.“ Der Bub hatte eine Gehirnerschütterung und einen Schlüsselbeinbruch erlitten. Das ist fahrlässige schwere Körperverletzung.

Kastenwagen

Der Beschuldigte – seinen Verteidiger Thomas Fried zur Seite – erklärt vor Gericht, der Bub sei hinter einem Kastenwagen plötzlich vor ihm aufgetaucht. „Ich habe ihn mit dem Außenspiegel erwischt, also ist er seitlich hinein gelaufen, und wurde dann auf die Windschutzscheibe gedreht.“

Der Bub erzählt, er sei aus der Straßenbahn ausgestiegen und habe dann die Straße überquert. Üblicherweise benutze er den Fußgängerübergang, aber an dem Tag habe er den Weg abgekürzt. An einen Kastenwagen könne er sich nicht erinnern.

Dass er den Buben nicht habe sehen können, wird der Lenker schwer beweisen können, zumindest eine Geldstrafe ist zu erwarten. Doch da kommt ihm der Umstand zu Hilfe, dass es an der Unfallstelle eine Filiale der Erste Bank gibt. Dort ist eine Videokamera montiert, die das Geschehen vor der Bank aufzeichnet. Das Gericht lässt den Film von einem Verkehrssachverständigen analysieren. Es ist deutlich zu sehen, wie der Bub – für den seitlich versetzt heran fahrenden Autolenker aus dem „toten Winkel“ – vor einem fensterlosen Kastenwagen auf die Fahrbahn läuft. Der Lenker war mit 47 km/h unterwegs, der Bub immerhin mit neun km/h, das konnt sich nach der Berechnung des Gutachters nicht rechtzeitig ausgehen. Daher: Freispruch.

Nach einem verheerenden Verkehrsunfall in Wien-Favoriten, bei dem ein zwölfjähriges Mädchen und eine 59-jährige Frau ums Leben kamen und die Mutter des Kindes lebensgefährlich verletzt wurde, ist am Donnerstag im Bezirksgericht Favoriten der Prozess gegen den Unglückslenker eröffnet worden. Der Lkw-Fahrer hatte am 8. Februar 2012 auf der Kreuzung Raxstraße - Laxenburger Straße beim Rechtsabbiegen die drei Fußgängerinnen übersehen, die vorschriftsmäßig einen Schutzweg überquerten. Die Verhandlung wird am 27. Juni fortgesetzt.

Der 13 Meter lange, tonnenschwere Lkw erfasste die Passantinnen, die ebenso Grünlicht hatten wie die zum Abbiegen in die Laxenburger Straße eingeordneten Fahrzeuge. "Ich hab' nur irgendetwas fliegen gesehen", schilderte eine Augenzeugin. Eine andere Frau, die das Geschehen ebenfalls beobachtet hatte, wollte die 39-jährige Mutter des Mädchens, die unter dem Lkw zu liegen gekommen war, unter dem Fahrzeug hervorziehen. Doch der Lkw sei noch einmal kurz angefahren, erinnerte sich diese Zeugin: "Er hat sie überrollt und dann herausgeschleudert."

Der Frau mussten beide Beine abgenommen werden. Erst nachdem sie aus der Intensivstation des AKH entlassen wurde, erfuhr sie, dass ihre Tochter den Unfall nicht überlebt hatte. Das Mädchen erlitt infolge des Zusammenstoßes eine tödliche Kopfverletzung. Nun erschien die Mutter in Begleitung eines Sohnes im Rollstuhl zur Verhandlung gegen den Lenker, der ebenfalls einen gezeichneten Eindruck machte.

"Es tut mir leid, was passiert ist, das schwere Unglück. Ich hoffe, dass Sie mir vergeben. Ich würde alles machen, um das ungeschehen zu machen", sagte der 27 Jahre alte Mann in Richtung der im Verhandlungssaal anwesenden Angehörigen. Zum Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der Körperverletzung bekenne er sich "der Tatsache schuldig, dass ich die Fußgänger nicht gesehen und niedergestoßen habe".

Sein Mandant sei "absolut fassungslos" und "zutiefst verzweifelt", betonte Verteidiger Rainer Rienmüller. Er habe in Folge des Unfalls seinen Job aufgegeben, seine Freundin verloren und werde seit Monaten von Albträumen geplagt.

Der Angeklagte erklärte in seiner Einvernahme, er sei an der Kreuzung stehen geblieben und habe das Grünlicht abgewartet. Ein anderer Lkw habe ihn dabei leicht behindert, so dass er ein wenig ausscheren habe müssen. Als er Grün bekam, sei er langsam angefahren und in die Laxenburger Straße eingebogen. Dabei habe er sich "vergewissert, dass sich keiner mehr am Gehsteig oder auf der Gehsteigkante befindet".

An den Anprall habe er keine Erinnerung: "Was danach passiert ist, kann ich nicht mehr sagen, weil die nachfolgenden Bilder für mich so schlimm gewesen sind". Dass Autos hupten, mehrere Augenzeugen lautstark schrien und heftig gestikulierten, wisse er nicht mehr: "Ich tu mir so schwer mit dem, ich denk die ganze Zeit darüber nach."

Beim nächsten Verhandlungstermin ist noch das Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen Fritz Huber zu erörtern, der den Unfall analysieren und vor allem zur Frage einer allfälligen Sichtbeeinträchtigung Stellung nehmen soll. Im Fall eines Schuldspruchs droht dem Angeklagten bis zu einem Jahr Haft.

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