Justizdaten-Affäre: "Da is nix dabei"

Ein Dutzend Gerichtsbedienstete und deren Anwälte verhandeln im Großen Schwurgerichtssaal im Grauen Haus über geheime Exekutionsdaten und Korruption
Korruption in der Justiz - Hauptangeklagter unternahm vor Prozessbeginn Selbstmordversuch

Ein einziges Opfer der Justizdatenaffäre sitzt ganz allein im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts. Gegen den Tiroler waren nach seiner Scheidung Exekutionen geführt worden. Jahre später bekam er wegen mangelnder Bonität keinen Handyvertrag. Und als er in Australien auf Urlaub war, wurde ihm dort die Kreditkarte gesperrt.

Justizdaten-Affäre: "Da is nix dabei"
Der Tiroler recherchierte und erfuhr, dass ihm der Chef einer Kreditauskunftei namens Josef H. das ruinöse Image eingebrockt hat. Dieser bezahlte Gerichtsbedienstete dafür, dass sie ihm geheime Exekutionsdaten aus dem Justizregister ausdruckten, die sich Josef H. seinerseits als Auskünfte über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Privatpersonen für vier Millionen Euro abkaufen ließ.
Justizdaten-Affäre: "Da is nix dabei"
„Ich war bankentot“, klagt der Tiroler, nicht mehr kreditwürdig, und fordert Schadenersatz. Er ist aber auch deshalb aus Tirol angereist, um Josef H. in Natura zu sehen. Als man 2011 in der Auskunftei eine Hausdurchsuchung durchführte, sei H. gerade nach China entschwunden gewesen. Nun also das Warten auf seinen Auftritt – jedoch: große Enttäuschung. Der 68-Jährige soll einen Tag vor Prozessbeginn einen Selbstmordversuch verübt haben. „Glauben Sie das?“, fragt das Tiroler Opfer. Der Verteidiger von H., Rudolf Mayer, sagt jedenfalls, er habe seinen Mandanten von den Suizidgedanken abbringen wollen, sei aber offenbar gescheitert. Josef H. liegt im Spital, Richterin Stephanie Öner wird später einen getrennten Prozess gegen ihn führen müssen.
Justizdaten-Affäre: "Da is nix dabei"
APA15022842-2 - 08102013 - WIEN - ÖSTERREICH: Richterin Stefanie Öner im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgericht Wien am Dienstag, 8. Oktober 2013, vor Beginn des Justizdaten-Affäre-Prozesses, in dem sich 13 mutmaßliche korrupte Gerichtsbedienstete, wegen dem Verkauf von Daten an Kreditauskunfteien verantworten müssen. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Das Gedränge auf der Anklagebank ist auch so groß genug: Zwölf Justizmitarbeiter – Gerichtsvollzieher, Kanzleileiterinnen, Rechtspfleger – haben für ein „Körberlgeld“ von bis zu 133.000 Euro an die zwei Millionen Datensätze geliefert. Eine knappe Handvoll Geschädigter lässt sich von Hans Zeger, Chef der Arge Daten, vertreten.
Anwälte merken kritisch an, dass keiner der übrigen geschätzten 200.000 in ihrem Recht auf Datenschutz geschädigten Personen gefragt wurde, wie hoch denn ihr Schaden sei. Vom Prozess über die größte Datenaffäre im Innersten der Justiz konnten sie mit viel detektivischem Gespür nur über eine Verlautbarung in der Ediktsdatei des Justizministeriums im Internet erfahren.

„Die Leute wurden bei Geschäftsabschlüssen behindert. Man hat ihre wirtschaftliche Integrität verletzt.“

Hans Zeger, Datenschützer

Wer sind nun die Mitarbeiter von Bezirksgerichten in ganz Österreich, die Namen, Adressen, Geburtsdaten von Personen abgefragt und gegen Bares geliefert haben, gegen die irgendwann einmal ein Exekutionsantrag eingebracht worden war?

Nichts dabei

Einer, der „viele Jahre äußerst pflichtbewusst Dienst versehen hat“, sagt der Anwalt eines 56-Jährigen. Eine „zweifache Großmutter, die für besondere Leistungen ausgezeichnet wurde“, sagt Verteidiger Harald Ofner. Ausgerechnet der ehemalige Justizminister meint, bei einer undichten Stelle in der Justiz sei heutzutage längst nicht mehr „die Hölle los“, es sei doch ohnehin nichts mehr geheim. Es habe damals geheißen: „Das machen andere auch, und gar nicht so wenige, da ist nix dabei.“

Ein dritter Verteidiger sagt, die Justiz-Mitarbeiter hätten gar nicht die Schulbildung gehabt, um zu erkennen, dass die Datenweitergabe (oft in der Mittagspause) ein Befugnismissbrauch sein könnte. Sie hätten das so offen gepflogen, dass manche für das Schmiergeld sogar Steuer zahlten. Einige Angeklagte sind seit Auffliegen der Datenaffäre suspendiert, einige arbeiten aber nach wie vor im Bezirksgericht weiter. So sehen (neben Beschränkungen und mehr Kontrollen der Abfragen) die vom Justizministerium verkündeten Maßnahmen zur Aufarbeitung aus.
Die Urteile sind für Ende Oktober geplant.

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