Justiz hält bettlägrige Frau für gefährlich

Auf der Trage zu Gericht, Haft statt einer Reha: Im Umgang mit dem Schussopfer Kerstin A. fehlt der Justiz das Augenmaß.

Jene Wienerin, die im März in einer Wohnung in Rudolfsheim-Fünfhaus tobte und von einem Polizisten neun Mal angeschossen wurde, kämpfte wochenlang um ihr Leben. Die 34-Jährige kann zwar noch immer nicht auf ihren Beinen stehen, stellt für die Justiz aber offenbar eine besondere Gefahr dar. Das Landesgericht Wien verhängte eine Anhaltung über die 34-Jährige. Sogar vor der Intensivstation wachte eine Justizbeamter. Vor rund einem Monat wurde sie verlegt: vom Wiener AKH in eine Außenstelle der Justizanstalt Josefstadt.

Kommenden Mittwoch entscheidet ein Schöffensenat, ob Kerstin A. bis auf Widerruf in eine geschlossene Anstalt muss. Wenn nötig, will sie der Richter auf der Bahre in den Saal bringen lassen. "Die Justiz verhält sich korrekt", stellt ihr Anwalt Markus Dörfler klar.

Aus juristischer Sicht mag das stimmen. Menschlich gesehen lässt sich der Eindruck nicht abschütteln, dass es den Verantwortlichen am notwendigen Augenmaß fehlt. Es braucht für einen Vergleich auch nicht den Fall des Ex-Bawag Chefs Helmut Elsner, der die Justiz mit seiner lapidar begründeten Abwesenheit narrte und sich währenddessen auf freiem Fuß auskuriert. Eine solche Milde erfährt Kerstin A. nicht. Ihr Vater ersuchte die Justiz, seine Tochter in eine Rehabilitationsklinik zu verlegen. Die Krankenkasse bewilligte das prompt. Die Justiz wehrte aber ab, nahm sie auf eine eigene Krankenstation, wo die Bettlägrige wie ein Häftling zwei Mal wöchentlich 30 Minuten besucht werden darf. "Man hätte das besser lösen können", sagt Dörfler.

Ob der Polizist wegen seines exzessiven Waffeneinsatzes angeklagt wird, prüft derzeit die Oberstaatsanwaltschaft. Ein Gutachten belastet ihn schwer. Zwei Schüsse sollen A. getroffen haben, als sie wehrlos am Rücken lag.

Therapie

Unbestritten dürfte sein, dass die Wienerin damals unzurechnungsfähig war. Noch am Krankenbett, als sie sich in einem kritischen Zustand befand, kam eine Gutachterin zum selben Schluss. Eine psychiatrische Behandlung bekam A. erst, als sie über dem Berg war. Dörfler beantragte nun eine neue Begutachtung, die noch nicht vorliegt. Sie könnte zeigen, dass die Therapie angeschlagen hat, A. nicht mehr gefährlich ist und nicht in eine Anstalt muss. Dörfler: "Ich wünsche mir, dass sie zurück ins Leben findet. Man muss sie nur lassen."

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