Justin zuckt aus: Ein 16-Jähriger sprengt das System

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Prozess: Der Vater ist unbekannt, die Mutter tot. Der Bursche attackiert jeden.

Justin (Name geändert, Anm.) zuckt aus. Regelmäßig. Wenn der 16-jährige Wiener rot sieht, gibt es für ihn kein Halten mehr. Im vergangenen Sommer war es besonders schlimm. Ohne Grund ging er auf Menschen auf der Straße los. Justin ist groß gewachsen, er hat Kraft. Und Justin hat Zeit. Er hat die Schule abgebrochen, hat keinen Job. Einmal bastelte er mit Deospray und Feuerzeug einen Flammenwerfer und richtete ihn auf einen Burschen in der U-Bahn.

Seit drei Monaten befindet sich Justin in Untersuchungshaft. „Das ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Er hat verstanden, dass er etwas ändern muss“, sagt sein Anwalt Roland Friis beim Prozess am Dienstag in Wien.

Der Start des jungen Mannes ins Leben war nicht einfach. Justins Vater ist unbekannt. Seine Mutter war alkohol- und drogenabhängig. Als Justin zwei Jahre alt war, starb sie.

Die Folgen

Dass die Mutter auch während der Schwangerschaft konsumierte und trank, hat Auswirkungen auf ihren Sohn. Seine Hirnentwicklung wurde geschädigt. Er leidet an einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung, die dazu führt, dass er austickt.

Einmal begegnete er einem unbekannten Paar in der Gumpendorfer Straße. Er schrie der Frau ins Ohr, versuchte zu provozieren. Dann spuckte er auf den Mann, schlug ihm mehrmals ins Gesicht. Als er am Boden lag, trat er auf ihn ein. Der Mann erlitt einen komplizierten Bruch der Speiche.

Ein anderes Mal pöbelte er Fremde bei der Kasse eines Supermarktes an. Schlug wie wild auf einen Mann ein – nachdem er sich extra noch vorher Handschuhe anzog. „Ich schlitze deiner Mutter die Kehle auf!“, schrie er. „Er war hochaggressiv“, erinnert sich ein Zeuge.

Nicht zu bändigen

Seit dem Tod der Mutter wird Justin von Heim zu Heim weitergegeben. Niemand kommt mit ihm zurecht. Auch Mitbewohner und Betreuer attackiert er. Ein falscher Blick, ein falsches Wort. Und Justin hat sich nicht mehr im Griff.

„Er hat so ziemlich alles bekommen, was der österreichische Staat zu bieten hat“, sagt der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann. „Sogar eine 1:1-Betreuung in einer Einzelwohnung.“ Geholfen hat das wenig. Auch Medikamente schlugen nicht an.

Hofmann hält Justin für hochgefährlich. „Er wird mit großer Wahrscheinlichkeit wieder Körperverletzungen begehen.“ Und daher rät er zu einem seltenen, drastischen Schritt: der Einweisung eines 16-Jährigen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Dieser Empfehlung folgt auch das Schöffengericht und verurteilt Justin zu 2,5 Jahren Haft plus Einweisung; nicht rechtskräftig. „Man kann Sie momentan nicht einfach so auf die Menschheit loslassen“, sagt Richter Andreas Hautz.

Justin will in Haft eine Tischlerlehre beginnen. „Ich muss schauen, dass es in Zukunft nicht mehr so weit kommt“, sagt er.

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