Blutiger Freitag: Als der Wiener Justizpalast brannte

Der Fotograf Max Gerlach junior nahm dieses Foto der Menschenmenge vor dem brennenden Justizpalast auf.
Der Brand des Justizpalastes am Freitag, dem 15. Juli 1927, begann mit einem Urteil, das die Massen entflammte. Die drei Mitglieder der rechtsgerichteten Frontkämpfervereinigung, die bei einem Zusammenstoß mit Sozialdemokraten im burgenländischen Schattendorf einen unbewaffneten kroatischen Hilfsarbeiter und ein Kind erschossen hatten, waren am Vortag freigesprochen worden. Für viele ein Skandal.
Am 15. Juli füllte sich der Ring rasch mit Demonstranten, die größtenteils der Wiener Arbeiterschaft angehörten, und der Volkszorn richtete sich bald gegen den Justizpalast. „Ein tragisches Mißverständnis“, wie die Arbeiterzeitung schrieb. Denn hier wurden in erster Linie zivilrechtliche Fälle behandelt.
Demonstranten drangen ins Gebäude ein, Steine flogen, Fenster zerbrachen, Möbel und Akten wurden auf die Straße geworfen und in Brand gesteckt. „Bald hatte das wilde Element von der ganzen Vorderfront des großen Gebäudes Besitz ergriffen“, schrieb die Arbeiterzeitung am nächsten Tag. Die Löschversuche der Feuerwehr wurden von der wütenden Menge behindert. Die überforderte Polizei forderte Militärassistenz an. Eine direkte Unterstützung durch das Bundesheer blieb jedoch aus. Stattdessen wurde die Polizei mit Waffen aus Heeresbeständen ausgerüstet.
Schießbefehl
Die ersten Schüsse fielen zunächst als Warnschüsse, doch schon bald wurden Salven in die Menge der Demonstranten abgegeben. „Die Schüsse und ihr Widerhall riefen Entsetzen hervor. Frauen und auch Kinder schrien. Die Menge rannte wie besessen davon. [...] Die Polizei schoß weiter. Da die Schüsse bald hier, bald dort fielen, setzte eine gräßliche Panik ein. Niemand wusste, wohin er fliehen sollte“, schrieb die Neue freie Presse am 18. Juli. Als durch den Tumult der Schmerlingplatz vor dem Justizpalast frei war, versuchte die Feuerwehr weiter, den Brand zu löschen. „Um 6 Uhr glich das ganze Dach des Gebäudes bereits einer mächtigen Flammensäule und die Hälfte des Daches stand nicht mehr.“ Erst in den frühen Morgenstunden des 16. Juli gelang es, den Brand unter Kontrolle zu bringen.
Am Ende des Tages waren 84 Demonstranten, vier Sicherheitswachen und ein Kriminalbeamter tot, und Hunderte verletzt. Zum 80. Jahrestag enthüllte Bundespräsident Heinz Fischer im Justizpalast eine Gedenktafel mit den Worten: „Die Ereignisse dieser Zeit, die schließlich im Bürgerkrieg des Jahres 1934 mündeten, sollen für alle Zeiten Mahnung sein.“
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