„Das ist eine Frage, die wir uns jeden Tag stellen“, sagt Ingrid Pöschmann, Sprecherin der MA 11. „Welche Angebote müssen wir noch schaffen, um diese Jugendlichen zu erreichen?“ Mit „diesen Jugendlichen“ meint Pöschmann jene 20-30 Minderjährigen – meist Burschen – in Wien, die die Angebote nicht annehmen wollen oder können. Letzteres meist aufgrund ihrer Traumata, die von Fluchterfahrung bis Gewalt in der Familie oder Vernachlässigung reichen.
„Diesen Jugendlichen fehlt oft das Erfahrungswissen, wo die Grenzen zwischen richtig und falsch liegen, weil es ihnen von den Erziehungsberechtigten nicht ausreichend vermittelt wurde. Und wenn ich dazu kein Wissen habe, kann ich dazu kein Gewissen entwickeln“, sagt Christian Reiner, Geschäftsführer des Vereins „Rettet das Kind“.
Lose Zusammenschlüsse
Bei diesen Jugendlichen handle es sich laut Reiner meist um lose Zusammenschlüsse. „Diese Kinder und Jugendlichen kennen sich zwar, sind aber selten befreundet. Man fühlt sich eher verbunden, weil man ähnliche Erfahrungen gemacht hat.“ Da könne es um Hass gegen die Polizei oder die Eltern gehen. „Heute ist es so leicht wie noch nie zuvor, auf Gleichgesinnte zu treffen. Die Jugendlichen lernen sich entweder auf Social Media, in der Schule oder im Park kennen“, so Reiner.
Was könnte man also tun, um diese jungen Menschen zu unterstützen?
„Ich finde, man sollte vor allem die Eltern wieder mehr in ihrem Erziehungsauftrag stärken und fördern. Momentan übernehmen oft Lehrer diese Aufgabe.“ Zusätzlich müsse man das Umfeld mitbedenken: „Eine Methode wäre, die Jugendlichen viel intensiver zu betreuen. Eine andere, sie aus ihrem Umfeld herauszunehmen. Weil auch wenn Gespräche mit Therapeuten oder Streetworkern gut funktionieren und sie die Inhalte aufnehmen, am Ende des Tages kommen sie doch wieder in ihre Familie zurück, wo oft Gewalt vorherrscht, oder bestimmte Rollen- bzw. Frauenbilder“, betont der Experte. Er könnte sich auch verpflichtende Programme vorstellen.
Da setzt auch die Stadt an: Unter 14-Jährige, die straffällig geworden sind, werden künftig zu Hause von der Polizei besucht, sagt Pöschmann von der MA 11. Die Familien und die Kinder werden dabei über Konsequenzen von Straftaten aufgeklärt.
Buddy für 20 Kinder
Ein zweites Projekt, die „Orientierungshilfe“, soll im Herbst starten. 20 Jugendlichen soll ein „Buddy“ zur Seite gestellt werden. „Das soll eine intensive Unterstützung sein, um das Kind vom destruktiven Verhalten wegzubekommen“, sagt Pöschmann.
Was aber, wenn die Jugendlichen schon über 14 Jahre alt und somit strafmündig sind? Dann ist oft die Justiz am Zug – und damit meist auch die Bewährungshilfe. Von den 12.000 Klienten, die der Verein „Neustart“ (also die Bewährungshilfe) betreut, sind ein Drittel Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 21 Jahren, sagt Sprecher Thomas Marecek. Die „Probezeit“ stellt für die Gerichte vor allem für diese Altersgruppe eine sinnvolle Maßnahme dar.
Acht Prozent der Bewährungen werden widerrufen
Auch zwei jener fünf jungen Männer, die nun aufgrund der Tat in Liesing in U-Haft sitzen, hatten bereits einen Bewährungshelfer. Zum konkreten Fall und ob die Jugendlichen ihre Auflagen erfüllt haben oder nicht, kann Marecek von „Neustart“ nicht sagen. Insgesamt sei es aber so, dass die bedingte Strafnachsicht (also die Bewährung) bei acht Prozent der Klienten von „Neustart“ widerrufen werde. Etwa weil sich jemand nicht an die Weisungen gehalten habe.
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