300 statt 0 Euro: Warum die Blinden die Öffi-Verteuerung voll trifft

Blinder mit Stock neben U-Bahn.
Unmut bei Betroffenen über komplette Streichung der Jahreskarten-Förderung. Ab Jänner gibt es einen neuen Netz-Tarif für alle Behinderten.

Die Tarifreform der Wiener Linien erwischt ausgerechnet auch eine Gruppe, die es im Leben ohnedies extrem schwer hat: die Blinden und Sehbehinderten. Denn wenn ab 2026 unter anderem die 365-Euro-Jahreskarte auf 467 Euro angehoben wird, dann endet gleichzeitig auch die Gratis-Fahrt für alle Blinden. Zwar gab es auch bisher kein echtes 0-Euro-Ticket, allerdings konnten sich Betroffene via Fonds Soziales Wien (FSW) auf die vollständige Förderung der Netzkarte verlassen. Doch künftig müssen sie stattdessen eine ermäßigte Jahreskarte für Behinderte lösen – um satte 300 Euro.

Entsprechend erbost reagiert KURIER-Leserin Sigrid K., die es als „Frechheit“ erachtet, dass ausgerechnet bei den Blinden gespart wird: „Der FSW sollte sich einmal um die sehr niedrige Behindertenrente der Betroffenen informieren. Neben den vielen anderen Preiserhöhungen kann sich das nicht mehr ausgehen“, klagt sie und kritisiert diese Art der „Behindertenfreundlichkeit“ der Stadt Wien.

Auch Martin Tree vom Blinden- und Sehbehindertenverband Wien, Niederösterreich und Burgenland berichtet von aktuell vielen Anfragen durch Betroffene und entsprechend großer Verunsicherung. „Unsere Mitglieder sind natürlich höchst unglücklich über die Situation, denn 300 Euro – oder 315 bei Abbuchung – ist schon ein ordentlicher Betrag.“ Und da in der Bundeshauptstadt rund 26.000 Blinde bzw. Sehbehinderte leben, handle es sich um eine relevante Personengruppe. Tree glaubt zwar, dass das Öffi-Paket nicht wieder aufgeschnürt wird, hofft aber doch, dass sich mit dem FSW in Gesprächen eine Lösung finden lässt. Allerdings hat zuletzt auch der österreichische Behindertenrat die Einführung dieser neuen „Jahreskarte Spezial“ für alle Behinderten ab 70-prozentiger Invalidität ausdrücklich begrüßt, da es bisher keine Behinderten-Ermäßigung gab.

Es geht um 800.000 €

Und auch der FSW winkt bezüglich etwaigen Nachverhandlungen ab: „Der FSW wird den bisherigen Fahrtkostenersatz bzw. Kostenzuschuss für Menschen mit einer Sinnesbehinderung künftig nicht mehr gewähren“, heißt es. Bemerkenswert ist aber, dass aktuell „nur“ rund 2.700 Personen diese Öffi-Förderung beanspruchen, es also bloß um rund 800.000 Euro an Einsparungen geht (bei Gesamtausgaben der Stadt Wien von 20 Milliarden).

Die Wiener Linien verweisen darauf, dass künftig alle Behinderten „einen spürbaren Rabatt“ erhalten würden – „dauerhaft, unkompliziert und verlässlich“. Freilich auch nur bei der Jahreskarte, denn bei Einzelfahrscheinen ist kein Behindertenrabatt vorgesehen. Immerhin: Alle eingetragenen Begleitpersonen fahren weiterhin gratis.

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