Seit fünf Jahren gibt es den Klimarat in Wien, diese Woche tagte er zum zehnten Mal. Ein Grund zum Feiern? Katharina Rogenhofer, Mitglied im Wissenschaftlichen Board des Klimabeirats und Leiterin eines Klimainstituts in Wien, kann das nur schwer mit Ja oder Nein beantworten.
Mehr mit einem Ja, aber. Denn die Anregungen werden gehört, sagt sie, es gibt mittlerweile ein Klimagesetz in Wien, bei der Initiative „Raus aus Gas“ ist Wien auf einem guten Weg. Das sei anerkennenswert.
Das gilt auch für die Mobilität in Wien, die trotz aller Errungenschaften immer noch einen großen Hebel in Sachen nötiger Einsparungen an klimaschädlichen Emissionen darstellt. 75 Prozent aller Wege werden in Wien auf klimafreundliche Weise zurückgelegt.
Ein an sich guter Wert, wie Rogenhofer anerkennt, der aber seit Jahren stagniert. Der Wiener Klimafahrplan sieht bis 2030 eine Erhöhung dieser Wege auf 85 Prozent vor, um alle Klimaziele zu erreichen.
Katharina Rogenhofer, Klimaexpertin und Mitglied des Klimarates
Forderung an Verhandler
Deshalb hat der Klimarat auch ein Prioritätenpapier für die laufenden Regierungsverhandlungen erstellt. Dies soll dazu beitragen, dass dem Thema Klimakrise und Klimawandel-Anpassung in Wien mehr Augenmerk geschenkt wird, als das nach Ansicht Rogenhofers bei den Regierungsverhandlungen auf Bundesebene passiert ist. Wo SPÖ und Neos ja auch mitverhandelt haben.
In Wien verhandeln diese beiden Parteien nun allein die Inhalte der neuen Stadtregierung. Der Ausbau von Radinfrastruktur und öffentlichem Verkehr laufe gut, eine rasche Ausweitung der Öffis auf das angrenzende Niederösterreich sei ein Gebot der Stunde.
Weniger Parkplätze gut für Klimawandelanpassung
Und es brauche noch mehr konkrete Maßnahmen, die Autofahren weniger attraktiv machen. Dazu zählen ein flächendeckender 30er, schmälere Fahrbahnen und eine Citymaut für Pendler.
Und auch in Sachen Klimawandel-Anpassung sei die Mobilität ein großer Hebel, erläutert Rogenhofer. Weniger Parkplätze schaffen mehr und dringend benötigte Versickerungsflächen bei Stark-regenereignissen und Straßenzüge sind automatisch kühler, wenn die Autos weg sind.
"Und im Schatten eines Baumes ist es um fünf Grad kühler als im Schatten eines Hauses", weiß Rogenhofer.
Auf eines wird sich die Stadt Wien und werden sich alle Städte in Österreich vorbereiten müssen: Der nächste heiße Sommer kommt bestimmt, und zwar heuer. „Sommer wie 2024 werden die neue Normalität“, ist Rogenhofer überzeugt. Deshalb spricht sie lieber von Klimakrise als von Klimawandel, weil diese Bezeichnung die Lage nicht verharmlose, sondern die Dringlichkeit des Problems zeige.
Denn die Krise sei sichtbar und spürbar, sagt Rogenhofer: "Städte erhitzen sich stärker, die Menschen sind mehr belastet, die Lebensqualität sinkt, die Lebensmittelsicherheit und die Infrastruktur sind gefährdet."
Jedes einzelne Zehntel-Grad, um das die Erwärmung - derzeit liegen wir seit rund zwei Jahren bei 1,5 Grad global - nicht weiter steigt, zähle aufgrund der Auswirkungen auf den Alltag vieler Menschen.
Er besteht seit 2019, jährlich gibt es zwei Sitzungen, aus denen Vorschläge an die Wiener Stadtregierung herauskommen. Er berät die Wiener Politik fachlich in wichtigen oder grundsätzlichen Fragen der Wiener Klimapolitik.
Klimagesetz
Das Wiener Klimagesetz ist eines der Ergebnisse aus dem Klimarat, dem neben acht Wissenschaftern auch führende Politiker aus der Stadt sowie maßgebliche Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter angehören.
Raus aus Gas
Die Initiative „Raus aus Gas“ wird vom Klimarat stark forciert. Knapp 480.000 Gasheizungen gibt es noch in Wien. Von Mitte 2020 bis 2025 wurden ca. 40.000 Gaszählpunkte vom Netz genommen.
Eine Empfehlung des Klimarates war es auch, den Netzbetreibern die gesetzliche Möglichkeit zu geben, Gasnetze stillzulegen. Das soll vorausschauend ermöglichen, noch schneller die in "Raus aus Gas" formulierten Ziele zu erreichen.
Weniger Auto, mehr Lebensqualität
Städte wie Wien müssten deshalb gerade bei der Mobilität wesentlich mutiger handeln. Sie wolle „niemandem das Auto wegnehmen“, sondern verweist darauf, worauf wir als Gesellschaft wegen der Autos verzichten: Auf frische Luft, auf Lebensqualität und Lebensraum, auf Ruhe.
Die Reduktion der Emissionen – in Wien und weltweit – müsse konsequent umgesetzt werden, betont Rogenhofer: „Wenn das nicht passiert, werden Regionen der Erde zu Todeszonen.“
Deshalb sei es so wichtig, gerade jetzt nicht etwa noch in klimaschädliche Subventionen zu stecken: "Das erhöht die Folgekosten immer mehr."
Ohne Umstellungen – im Verkehr, beim Einsatz fossiler Energien, beim Fleischkonsum – werde es auch in Wien nicht gehen. Die Alternative? Noch mehr Hitze, noch mehr Extremwetterereignisse und Wetterkatastrophen. Und dadurch noch mehr Verzicht, allerdings erzwungen: "Wir brauchen die Reduktionen unserer Emissionen, um ein stabiles System zu erhalten. Sonst erwachen wir in einer Welt, in der wir alle nicht existieren wollen."
Das extreme Wetter war übrigens auch ein wichtiges Thema im Jubiläums-Klimarat. Es gibt jetzt die Empfehlung an die Politik, für ganz Wien Simulationen mit Starkregen vorzunehmen, um herauszufinden, wo große Gefahren, wie Überflutungen, drohen. Daraus kann die Stadt dann weitere Maßnahmen zum Schutz der Wienerinnen und Wiener ableiten – etwa wetterabhängige Ampelregelungen für Straßen, die bei Starkregen überflutet werden.
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