IS-Drohvideo: "Das ist ein kaltblütiger Mord"
Ich und meine Familie waren schockiert, als wir dieses schreckliche Video – das den kaltblütigen Mord zeigt – gesehen haben", schreibt Sami Mahmoud an den KURIER. Der ehemalige Wiener Imam distanziert sich in dem Mail ausdrücklich und entschieden von dem blutigen IS-Drohvideo, das am Mittwoch veröffentlicht wurde. Darin tötet sein 30-jähriger Sohn mit einem Deutschen im syrischen Palmyra zwei Geiseln mit automatischen Waffen. Und ruft dazu auf, Ungläubige in Österreich und Deutschland zu töten.
"Meine Familie und ich lehnen diese Straftat ab", erklärt sein Vater. "Niemand hat das Recht, das Leben eines anderen Menschen mit einer so abscheulichen Tat zu nehmen. Wenn jemand ein Verbrechen begangen hat, dann wird er durch einen fairen Prozess durch einen echten Richter bestraft."
"Wehrlose Opfer"
Der in Wien lebende Vater hat dem KURIER als einzigem Medium die Tür geöffnet. "Wir alle sind böse auf Mohamed", erklärt er nach dem traditionellen Freitagsgebet im Wohnzimmer. Am Islamischen Staat lässt der Vater kein gutes Haar: "Der ISIS unterscheidet sich nicht von Al-Qaida, der nigerianischen Boko Haram oder den somalischen Mudschaheddin. Es ist noch schlimmer, weil diese Leute den Islam verzerren. Was in diesem Video zu sehen ist, ist nur feig. Hier werden zwei Menschen umgebracht, die völlig wehrlos sind."
"Das ist eine Lüge"
Der Vater bezichtigt seinen Sohn auch mehrfach der Lüge. So stimme es einfach nicht, dass in Österreich und Deutschland Muslime wegen ihres Glaubens inhaftiert seien. "Das ist doch Blödsinn", sagt er verärgert und schüttelt den Kopf. Außerdem habe die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel niemals den Propheten Mohammed beleidigt – ganz im Gegenteil, sie habe "gegen Pegida und den Terrorismus am 13. Jänner in Berlin sogar demonstriert".
"Ich sage ihm (seinem Sohn, Anm.): ‚Ist das deine Antwort an das Land, wo du geboren wurdest und in deiner Kindheit und deiner Jugend gelebt hast und das dir alle dazugehörigen Bürgerrechte gegeben hat?‘"
Das letzte Telefonat
Das Interview wird teils auf arabisch geführt und Abdelrahman Mahmoud, der jüngste Sohn der Familie, übersetzt dann. Nur wenn der Vater emotional wird, dann spricht er selbst auf Deutsch. Fotografiert werden möchte er nicht. Er hat Angst, dass die Leute ihn für die Taten seines Sohnes verantwortlich machen. Bis vor Kurzem hat er noch gehofft, das alles werde sich irgendwie noch regeln. Als er in der Türkei in einem Lager saß, hatten die zwei das letzte Mal miteinander gesprochen am Telefon: "Ich habe ihm gesagt: ,Bereue, was du getan hast. Ich rede mit dem Staatsanwalt und dann sitzt du deine Strafe ab oder bekommst sogar Bewährung.’ Doch das wollte er überhaupt nicht, er wurde richtig laut", sagt Sami auf Deutsch.
Mohamed Mahmoud ist eigentlich noch österreichischer Staatsbürger, obwohl er seinen Pass vor laufender Kamera verbrannt hat. Da noch immer nicht geklärt ist, ob er die ägyptische Staatsbürgerschaft hat, kann ihm die österreichische nicht entzogen werden. Auch wenn entsprechende politische Forderungen immer wieder laut werden.
Moschee in Wien-Neubau
Der 30-jährige Austro-Islamist wurde in Wien als erster Sohn von Sami Mahmoud geboren. Dieser lehrte in einer als radikal verschrieenen Moschee in der Lindengasse in Wien-Neubau. Die Islamische Glaubensgemeinschaft distanziert sich, wie berichtet,von diesem Gotteshaus. Dass der junge Mohamed dort einst radikalisiert worden sei, dem widerspricht sein Vater, der dort bis 2002 Imam war, entschieden. "Ich bin immer gegen Terror gewesen."
2003 wurde sein islamistischer Lehrer, Abu Omar, in Mailand auf der Straße vom US-Geheimdienst CIA entführt. Mohameds Vater, ein Freund Abu Omars, musste deshalb in Wien 17 Stunden zum polizeilichen Verhör, bevor er wieder enthaftet wurde. Es heißt, dass Samir Mahmoud in der Muslimbrüderschaft aktiv war. Er selber bestreitet das: "Ich habe in allen Organisationen Freunde, bin aber nirgends Mitglied."
Vorbild bin Laden
Anschließend fuhr Sohn Mohamed jedenfalls mehrere Monate nach Syrien und in den Irak. Er behauptet, in dieser Zeit erstmals in einem Al-Qaida-Camp gewesen zu sein. Seiner Familie erzählt er, dass er in einem Hafen im Iran gearbeitet hat, um Geld für seine Hochzeit zu verdienen. Wieder zurück in Wien hatte Mohamed Mahmoud ein neues, großes Vorbild: Osama bin Laden. Deshalb setzte er sich den Pakol (afghanische Mütze) auf, den er bis heute immer trägt. Und er nannte sich Abu Usama Al-Gharib – übersetzt: Vater von Osama, der Fremde. In dieser Zeit kam er erstmals in Konflikt mit seiner Familie, die anschließend beim Wiener Prozess gegen ihn im Jahr 2008 eskalierten. "Da haben wir einiges gehört, was er ganz anders erzählt hat", sagt sein Vater.
Nun dürfte gegen den 30-jährigen Salafisten ein weiteres Verfahren in Wien eingeleitet werden – wegen Mordverdachts.
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