Hype um "50 Shades of Grey"

Kerstin Wieser hat sich schon im Dezember Karten besorgt
45.000 Kinokarten im Vorhinein verkauft. Auch Erotik-Shops profitieren.
Hype um "50 Shades of Grey"
Sonst liest Kerstin Wieser eigentlich nicht viel, aber die "50 Shades of Grey"-Trilogie hat die 24-Jährige verschlungen: "Es war so fesselnd. Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen." Heute, Donnerstag, läuft die Verfilmung des Erotik-Bestsellers von E. L. James in den österreichischen Kinos an (Filmkritik siehe Seite 25). Die Karten für die Vorpremiere hat Kerstin Wieser schon im Dezember besorgt.

Freie Plätze wird es in dem Kinosaal kaum geben. 45.000 Tickets wurden alleine in den Cineplexx-Kinos im Vorhinein verkauft. Für Geschäftsführer Christian Langhammer ein neuer Rekord. "Es ist ein Wahnsinn. In den ersten 45 Minuten nach Verkaufsstart waren 80 Prozent der Karten weg", sagt Langhammer. "Das gab es bei uns noch nie." Wird er sich den Film auch ansehen? Muss er berufsbedingt ja fast. Der Geschäftsführer hat auch begonnen, das Buch zu lesen. Aber weiter als bis Seite 21 ist er nicht gekommen.

Eigene Spiel-Kollektion

Hype um "50 Shades of Grey"
Aber das Kino und die Buchhandlung sind nicht die einzigen Orte, an denen Österreichern die mit Sadomaso gespickte Trilogie derzeit begegnet. In der Erotik-Kette "Seven Sins" gibt es eine eigene Spielzeug-Linie. "Wir haben immer wieder Kunden, die hereinkommen und sagen: Wir wollen genau die Liebeskugeln, die Anastasia im Buch verwendet", erzählt eine Mitarbeiterin . Seit Kurzem können diese tatsächlich erworben werden. In einem Regal, gleich neben der Fetisch-Wäsche, liegen in schwarz-silberner Verpackung Liebeskugeln, Peitsche und Fesselsets. Das beliebteste Spielzeug, zumindest in der Filiale in der Shopping City Süd, ist aber die Krawatte (um 11,99 €). Sie ist das erste Utensil, mit dem Anastasia von Christian Grey im Buch gefesselt wird.

Kein Schmuddelbuch

Aber warum der Hype? "Seven-Sins"-Bereichsleiter Horst Zinsmeister hat eine Vermutung: "Das Buch ist ein Erotik-, aber kein Schmuddelbuch." Es sei nichts Verwerfliches. Das bestätigen auch Buchhandlungen. Nach anfänglichem Zögern ("Entschuldigen Sie, ich hätte gerne dieses Buch; Sie wissen schon; das, das alle gerade lesen."), haben Kunden mittlerweile kaum Scheu, das Buch zu kaufen. "Wieso sollte das unangenehm sein?", fragt auch Kerstin Wieser verwundert.

Hype um "50 Shades of Grey"
Bondage Kurs, erotischer Fesselkurs
Atma Pöschl kann ebenfalls ein gesteigertes Interesse der Österreicher für Bondage und Fesselkunst bestätigen. Mit ihrem "Institut Atma" in Wien bietet die Körpertherapeutin seit 2011 einen Ort, wo das Crossover von Tantra und BDSM (Sammelbegriff für sexuelle Vorlieben, die oft mit Dominanz und Fesselspielen zu tun haben) erlebt werden kann. In Einzelarbeit oder Seminaren hilft sie, den Körper als "Tür zur Lust", aber auch zur Selbsterfahrung und zur Stille zu erfahren– mit einfachen Körperübungen, intimer Massage, BDSM oder Bondage. Ein Grund für das gesteigerte Interesse in BDSM? „Die Menschen erkennen, dass es letztlich um Lebendigkeit geht und darum, sich selbst zu entdecken.“ Ein Punkt ist Pöschl bei der derzeit aufflammenden Diskussion besonders wichtig: "BDSM braucht Selbstreflexion und die Fähigkeit, eigene Wünsche und Grenzen zu kommunizieren Gespräche."

Keine Unterdrückung

Das sieht Robert M., Obmann des SM-Vereins "Libertine Wien" genauso. Es geht keinesfalls um die Unterdrückung einer anderen Person, sondern um gleichwertige Partner, die ihre Bedürfnisse diskutieren. Man dürfe den Film deshalb auch nicht als Aufklärungsfilm verstehen. In der Praxis sehe SM anders aus.

Auch wenn er den allgemeinen Hype mitbekommt, für die Szene selbst habe das Buch kaum Auswirkung gehabt. Weder das SMart-Cafe noch die Stammtische hätten viel mehr Besucher gehabt.

Das große Interesse an der Trilogie kann M. nicht nachvollziehen: "Am Ende des Tages ist es eine kitschige Liebesgeschichte – mit ein paar Handschellen. Und deshalb wird es schon zum Hype? Im Jahr 2015?"

Kommentare