Hospizseelsorge: Über Nähe, Abschied und Weihnachten im Hospiz

Eine Frau mit lockigen Haaren unterhält sich lächelnd mit einer älteren Dame im Rollstuhl.
Warum Krankenpflegerin Ulrike Reiterer-Schörg Hospizbewohner nun auch als Seelsorgerin begleitet – und wieso Weihnachten im Hospiz- und Pflegebereich eine ganz besondere Zeit ist.

Ulrike Reiterer-Schörg spricht gar nicht so gerne. „Ich höre lieber zu“, sagt die 46-jährige gebürtige Südtirolerin. In ihrem Job ist das wichtig. Sie arbeitet seit 27 Jahren als Krankenpflegerin, davon seit 15 Jahren im Hospizbereich. „Mich hat es immer schon zu Menschen, die bald sterben werden, hingezogen.“

Und das bereits seit Beginn ihrer Laufbahn, erzählt sie dem KURIER bei einem Besuch an ihrem Arbeitsplatz, dem Pflegeheim der Caritas Socialis (CS) am Alsergrund. „Auf der Intensivstation hat mich belastet, dass man schwer aufhören konnte zu therapieren, reanimieren, operieren. Dass nur schwer akzeptiert wurde, dass man irgendwann einfach aufhören muss“, erinnert sie sich.

Auch die seelischen Leiden

So kam Reiterer-Schörg als Krankenpflegerin in den Palliativbereich, ins Hospiz, ihren Herzensbereich, wie sie sagt. Ein Beruf, den sie auch im Mödlinger Hospiz ausübt. Im laufenden Betrieb bleibt dabei allerdings wenig Zeit für das, was sie am liebsten macht: zuhören und die Bewohner auch spirituell begleiten. „Wir wollen ja im Hospiz nicht nur die körperlichen, sondern auch die seelischen Leiden lindern.“ 

Deshalb entschied sie sich für die Ausbildung zur Seelsorgerin. Eine Tätigkeit, die früher zumeist von Theologen ausgeübt wurde, heute aber auch Quereinsteigern offensteht. Als solche ist sie im Pflegeheim der Caritas Socialis tätig.

Mehr als Beten

Offiziell ist Reiterer-Schörg katholische Seelsorgerin. Doch ihr ist wichtig zu betonen: „Es geht in den seltensten Fällen allein um Glauben und Religion.“ Es sei ein wichtiger Grundsatz der Hospizbewegung, dass diese allen offensteht, unabhängig vom eigenen Glauben. „Spirituelle Begleitung ist viel mehr als Beten und Gottesdienst.“

Und am Ende des Lebens beschäftigen viele Menschen ähnliche Fragen. „Oft geht es um den langen Weg der Krankheit, um Angst, auch Zorn. Um Sinnfragen. Und um Dankbarkeit.“ Sich damit an einen Fremden zu wenden, fällt vielen oft leichter.

Weihnachten im Hospiz

Gerade Feiertage wie Weihnachten sind im Pflege- und Hospizbereich eine ganz besondere Zeit, erzählt Reiterer-Schörg. Die Christmette findet am 24. Dezember bereits um 15.30 Uhr statt. „Da sind unsere Bewohner noch nicht zu müde“, sagt sie. Sie wird aber auch über den hauseigenen Kapellenkanal in die Zimmer übertragen. In jedem Wohnbereich gibt es eine Weihnachtsfeier, zu der auch Angehörige eingeladen sind.

Viele feiern außerdem im kleinen Familienrahmen in den Zimmern. „Natürlich ist da auch eine gewisse Traurigkeit, wenn klar ist, dass es wohl das letzte gemeinsame Fest sein wird“, erzählt die Seelsorgerin. „Aber es überwiegt die Freude, es noch einmal miteinander erleben zu können.“ Wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert, schlagen die Mitarbeitenden den Familien auch vor, das Weihnachtsfest vorzuziehen.

Ein würdiger Abschied

Durch die Gänge des Hauses klingt beim KURIER-Besuch Geigenmusik. Eine Betreuerin spielt für die Hausbewohner auf. Im Foyer des Hauses brennt keine Kerze. Sie wird entzündet, wenn ein Heimbewohner verstirbt. Dann nehmen sich Reiterer-Schörg und ihre Teammitglieder Zeit für einen würdigen Abschied. „Ich finde es schön, den Verstorbenen noch eine letzte Ehre zu erweisen“, sagt sie. Sie streut Blütenblätter auf die Decke, stellt Fotos der Familie auf das Nachtkästchen, alles Medizinische wird weggeräumt. An der Tür wird eine Feder angebracht – als Zeichen, dass jemand gegangen ist.

Wenn die verstorbene Person das Haus verlässt, dann durch die Vordertür. Draußen wartet der Bestattungswagen. Das geht auf eine Bewohnerin zurück, die einmal sagte: „Ich darf vorne ins Haus, aber wenn ich tot bin, muss ich beim Hintereingang hinaus.“ Seither gilt in allen Einrichtungen der Caritas Socialis: Man verlässt das Haus durch jene Tür, durch die man es betreten hat.

„Ich bin froh, dass es Orte wie die Caritas Socialis gibt, wo das Sterben so einen Raum haben darf“, sagt Reiterer-Schörg. Diese Haltung prägt auch ihre Arbeit. „Ich versuche, den Menschen nahe zu sein. Es wird oft von professioneller Distanz gesprochen. Aber wir müssen erst die professionelle Nähe lernen.“

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