Christbaumkugeln und ein Skelett wurden unter Denkmalschutz gestellt

Mit einem Skelett im Gepäck wurde in Salzburg für Barrierefreiheit demonstriert,
Das Haus der Geschichte hat 400 Objekte gesammelt, die die Perspektive von Menschen mit Behinderung zeigen. Das Projekt geht in die Verlängerung.

Ich hab nur Angst. Ich will nicht sterben. 

Die Worte sind eindringlich, die Bilder sind es noch viel mehr. Anna Magdalena Weiss verbrachte einen großen Teil ihrer Kindheit in den 1970er und 1980er-Jahren im Psychiatrischen Krankenhaus auf der Baumgartner Höhe in Wien, auch als „Am Steinhof“ bekannt. Ihre Erfahrungen, die geprägt sind von Gewalt, Freiheitsentzug oder dem Tragen einer Zwangsjacke als Strafe hat sie in Zeichnungen verarbeitet. 

Sonst „lasse ich das immer drinnen im Körper“, wie sie sagt. 

Ihre Kunstwerke und Tonaufnahmen über ihre Erfahrungen sind nun Teil der Sammlung, die das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) im Zuge des „Disability History Project“ zusammengetragen hat. 

Am Mittwoch, dem internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, gab Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) gemeinsam mit hdgö-Gründungsdirektorin Monika Sommer die Fortführung des Projekts für weitere zwei Jahre bekannt.

Man sei mit dem Ziel gestartet, 30 Objekte zu politischem Engagement und Aktivismus von Menschen mit Behinderungen von 1848 bis heute zu sammeln, sagt Sommer. „400 wurden uns bereits angeboten und werden sukzessive bearbeitet“.

Piss on pity, also "Scheiß auf Mitleid" steht auf Christbaumkugeln.

Christbaumschmuck, der zeigt, dass Mitleid unangebracht ist.

Verantwortung

Die Sammlung des hdgö ist Teil der Bundessammlungen, Objekte fallen unter den Denkmalschutz. Und das ist mehr als nur eine symbolische Geste, ist die Direktorin überzeugt: „Die Perspektiven von Menschen mit Behinderung sind nun dauerhaft Teil des kulturellen Erbes Österreichs.“ 

Auch die Verantwortung des Staats kann damit nicht so leicht aus der Geschichtsschreibung getilgt werden. Nicht bezüglich der Kindesmisshandlungen am Steinhof. 

Nicht bezüglich der Ermordung von 30.000 Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung in Schloss Hartheim in Oberösterreich während der NS-Zeit.

Das Gegenteil von Opfer

Das „Disability History Project“ zeigt zwar (auch) Gräueltaten auf, ist aber das Gegenteil einer Opfererzählung. Der Fokus liegt auf der Veränderung der Gesellschaft, die mit Mut und Aktivismus der Menschen mit Behinderung herbeigeführt wurde. Und sie liegt auf aktuellen Debatten, die von der Community selbst angefacht werden.

So finden sich in der Sammlung Christbaumkugeln mit der Aufschrift „Piss on Pity“ (auf Deutsch würde man „Scheiß auf Mitleid“ sagen). Hergestellt wurden sie von „Selbstbestimmt Leben Innsbruck“, um die jahrzehntelange Kritik an Charity Aktionen wie auch an der ORF-Sendung Licht ins Dunkel aufzugreifen. Bemängelt wird, dass Menschen mit Behinderungen als bemitleidenswert dargestellt werden. Auch Skelett Klusi ist nun fixer Teil der österreichischen Geschichte. Es wurde vor dem Chiemsee Hof in Salzburg während mehrere Landtagssitzungen als Protest gegen Einsparungen bei Barrierefreiheit aufgestellt.

Das Projekt wird von Expertinnen und Experten einer Fokusgruppe begleitet. 15 Objekte sind in die Hauptausstellung des hdgö integriert. Die barrierefreie Web-Austellung „Selbst bestimmt!“ bietet weitere Einblicke, Audio-Interviews und die Möglichkeit, selbst Beiträge beizusteuern. Auch weiterführende Infos sind dort zu lesen: Seit 1991 gibt es zum Beispiel ein Verbot der dauerhaften Unterbringung von Menschen mit Lernschwierigkeiten in psychiatrischen Einrichtungen wie Steinhof. 

Ein Zeugnis dafür, dass Bewusstmachung wirkt.

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