Hauptstadt-Touristen: Wien will nicht mehr

Hauptstadt-Touristen: Wien will nicht mehr
Weniger Busfahrten, mehr Urlauber an den Stadtrand: Wien will künftig beim Tourismus stärker an die Bevölkerung denken.

Frag nicht, was Wien für die Touristen tun kann, sondern was die Touristen für Wien tun können – so kann die neue Strategie des WienTourismus vereinfacht zusammengefasst werden.

Es ist Zeit für eine Trendwende. Die Jagd nach immer neuen Rekordzahlen bei den Übernachtungen dürfte schon bald der Vergangenheit angehören. Stattdessen will sich der WienTourismus auf Maßnahmen zur Steuerung und Begrenzung der Besucherströme konzentrieren.

„Visitor Economy“ heißt der Fachbegriff. Der Fokus liegt dabei nicht alleine auf dem Wohlbefinden der Urlauber; das Konzept stellt verstärkt die Bedürfnisse der Destination und seiner Bewohner, also der Wiener, in den Vordergrund.

Hauptstadt-Touristen: Wien will nicht mehr

Welche Maßnahmen werden konkret gesetzt?

Schwerpunkt Nummer eins: Busfahrten in Wien sollen reguliert werden. „Nicht jeder Bus soll zu jeder Zeit durch die Stadt fahren können“, sagt Norbert Kettner, Chef des WienTourismus bei der Präsentation der Jahresbilanz. Ein Konzept mit Stadt Wien und Wirtschaftskammer ist in Arbeit.

Es könnte ähnlich aussehen wie die aktuelle Regelung zur Adventzeit. Aufgrund des erhöhten Busaufkommens dürfen in der Vorweihnachtszeit in die Bezirke 1, 6, 7, 8 und 9 nur Autobusse mit Einfahrtskarte fahren. Ganzjährig besteht bereits jetzt ein Busfahrverbot in der Inneren Stadt.

Raus in die Bezirke

Schwerpunkt Nummer zwei: Die Touristenströme sollen entzerrt werden. Zum einen wird der WienTourismus im März alle Bezirksvorsteher an einen Tisch holen, um das jeweilige Touristenpotenzial des Bezirks auszuloten und Maßnahmen zu diskutieren.

Zum anderen ist eine Kampagne mit Attraktionen abseits des Mainstreams in Vorbereitung, die im Frühjahr präsentiert werden soll.

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WienTourismus-Chef Norbert Kettner

„Wir sehen das schon realistisch“, ergänzt Kettner. „Wir wissen, dass die, die zum ersten Mal in die Stadt kommen, die Highlights sehen möchten und daran werden wir auch nichts ändern können. Aber wir wissen auch, dass wir 50 Prozent Wiederkehrer haben.“ An sie seien die Anreize abseits der ausgetretenen Pfade gerichtet.

Als „Verzweiflungsmaßnahme“ will der WienTourismus die sanfte Kurskorrektur nicht verstanden wissen: Die Besuchersituation in Wien sei keineswegs dramatisch. Laut einer aktuellen Umfrage finden 94 Prozent der Wiener den Tourismus für Wien auch weiter positiv, sagt Kettner.

Dennoch stellt sich die Frage, ob die Stimmung nicht irgendwann kippt. Dass das passieren kann, zeigt sich an Warnbeispielen wie Venedig, Barcelona oder Dubrovnik. „Es geht um die Frage, wie wir unsere DNA behalten und schützen“, sagt Kettner.

Neunter Rekord

Mit 16,5 Millionen Nächtigungen konnte vergangenes Jahr jedenfalls der neunte Rekordwert in Folge erzielt werden. Das geplante Ziel – 18 Millionen Nächtigungen bis 2020 – rückt damit in immer greifbarere Nähe.

Und danach? Ein neues Nächtigungsziel für 2025 könne er noch nicht nennen, meint Kettner. Nachsatz: „Und vielleicht wird es das auch gar nicht geben.“

Wertschöpfung und Umsatz sollen aber natürlich weiter steigen. Man sei auch besonders stolz darauf, dass der Nächtigungsumsatz mit zwölf Prozent vergangenes Jahr doppelt so stark gewachsen ist wie die Nächtigungszahlen (plus 6 Prozent).

Damit die Bilanzen weiter positiv sind, steckt der WienTourismus auch 2019 rund 16,2 Millionen Euro ins Marketing. Ein besonderer Höhepunkt 2019 wird übrigens die „Euro Pride“ (siehe unten). Von 1. bis 16. Juni werden dazu eine Million Teilnehmer erwartet.

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