Gutes in der Krise: Grätzel-Initiativen beleben die Bezirke
Geschlossene Geschäfte, gesperrte Unternehmen, leere Straßen. Mitte März kam es in zahlreichen Nachbarschaften in Wien zu einem abrupten Halt.
„Mit dem Shutdown gingen plötzlich die Lichter in den Wiener Grätzeln aus“, erinnert sich Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel der Wirtschaftskammer (WK) Wien. Mittlerweile ist das Leben in die Viertel zurückgekehrt. Und das nicht nur, weil zahlreiche Geschäfte ihre Pforten wieder öffnen dürfen.
Was vielfach am am Land noch gelebt wird, bekam auch in Wien wieder mehr Bedeutung: Das eigene Grätzel mit all seinen Betrieben und Geschäften rückte vermehrt in den Fokus, es wird regional eingekauft, man unterstützt sich gegenseitig. Und das vielfach online.
Innerhalb weniger Tage oder Stunden wurden gemeinschaftliche Initiativen wie Lieferservices, Online-Plattformen oder Notfallservices gestartet. "Wie gut Zusammenhalt und Nachbarschaftshilfe in den einzelnen Wiener Grätzeln funktionieren, zeigt sich in den vergangenen Wochen deutlich", heißt es bei der Wiener Wirtschaftskammer.
Die Kammer unterstützt gemeinsam mit den Bezirken regionale und digitale Kooperationen und hat diese nun zusammengefasst. Der KURIER liefert einen Überblick über die Initiativen in zahlreichen Bezirken.
1. Bezirk: Wer Medikamente, frisches Gebäck oder frischen Lesestoff braucht, ist unter wollzeile.wien gut aufgehoben. Die Kaufleute der Traditionseinkaufsstraße informieren über die nun aktuellen Öffnungszeiten und Lieferdienste der Apotheke zum römischen Kaiser, der Bäckerei Öfferl, der Theehandlung Schönbichler, der Herder Buchhandlung und des Reformhauses Staudigl. Letztere beiden liefern sogar kostenlos.
3. Bezirk: Auf der Homepage einkaufenimdritten.at präsentieren die Landstraßer Kaufleute ihr Angebot während der Corona-Krise. Betriebe, die online Bestellungen entgegennehmen oder telefonisch erreichbar sind - von Beans Kaffeespezialitäten über den spanischen Gourmetshop Colono bis zur Klimesch Schuh Gmbh - sind dort gelistet.
„Mein Tipp für Unternehmer, die noch nicht in der digitalen Welt angekommen sind, ist, in einem ersten Schritt Hilfe bzw. Innovationen zuzulassen, die von jüngeren Mitarbeitern kommen kann – so war es bei mir“, rät Wirtschaftskammer-Bezirksobmann Klaus Brandhofer.
7. Bezirk: Wer wissen möchte, welche Geschäfte geöffnet sind, einen Online-Shop haben und liefern, wird unter www.im7ten.com fündig. Bei Casa Caria und Das G’schäft können beispielsweise Lebensmittel vor Ort und im Online-Shop eingekauft werden. Wald & Wiese liefert kostenlos auf telefonische Bestellung.
Im Notfall helfen Brillenmanufaktur, Citybiker oder Installateur Schremmer. Auch ein großes Web-Shop-Angebot für Mode, Schmuck, Kunst oder Papierwaren gibt es. Unternehmer, die um ihre Existenz bangen, finden Unterstützung bei der WKO im Bezirk.
9., 14., 15., 16. und 17. Bezirk: Nicht nur Betriebe, sondern auch Grätzelinitiativen wie Nachbarschaftshilfe und Notfalldienste der Bezirke Alsergrund, Penzing, Rudolfsheim-Fünfhaus, Ottakring und Hernals sind auf der neuen Website nahundoffen.at zu finden.
Initiiert wurde diese Plattform von Andreas Eisenbock, Wirtschaftskammer-Bezirksobmann für den 14. Bezirk. „Mit der Nahversorger-Plattform wollen wir aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation die regionalen Einzelhändlerinnen und Einzelhändler unterstützen“, erklärt er. Man müsse an einem Strang ziehen, um die Grätzel auch in Zukunft lebenswert zu erhalten.
Das sieht auch Brigitte Hlozek von der Agentur hlozek mediaconsulting e.U. so. Sie hat die Seite nahundoffen.at auf die Beine gestellt. Die Plattform soll auch nach den Geschäftsöffnungen als Informationsquelle für regionale Online-Shopping-Möglichkeiten bestehen bleiben.
11. Bezirk: Gemeinsam mit der Bezirksvorstehung hat die Wirtschaftskammer die Aktion „Simmeringer unterstützen Simmeringer“ ins Leben gerufen. Unternehmer im 11. Bezirk, die dringend notwendige Waren oder Dienstleistungen anbieten und liefern können, werden gebeten, sich bei der Bezirksvorstehung via E-Mail an post@bv11.wien.gv.at zu melden.
12. Bezirk: Auch in Meidling werden Unternehmer, die derzeit Produkte oder Dienstleistungen anbieten, vom lokalen Einkaufsstraßenverein, der Wirtschaftskammer Wien und der Bezirksvorstehung aufgerufen, sich im Meidlinger Amtshaus unter post@bv12.wien.gv.at zu melden.
Die Liste der Unternehmen der Initiative „Meidling, wir schaun auf dich!“ ist auf der Facebookseite des Bezirksvorstehers Wilfried Zankl unter facebook.com/wzankl zu finden. „Gemeinsam können wir die Krise zur Chance machen“, ist Zankl überzeugt.
Bei einigen Händlern auf der Meidlinger Haupstraße wie etwa bei Florist Michael Strangl, der am 16. April sein Geschäft wieder aufsperrt, und auch bei Claudia Eichmair vom Juwelier Bouz kann auch wieder vor Ort eingekauft werden. Viele Geschäfte haben allerdings reduzierte Öffnungszeiten.
13. Bezirk: Wer online einkaufen will, ist in Hietzing unter hilfe.hietzing.at oder daskisterl.at gut aufgehoben. Bei letzterer Plattform werden Produkte (etwa Pflegeprodukte, Lebensmittel und Geschenke) bei das kisterl in der Hummelgasse 2 eingelagert und nach erfolgter Bestellung und Online-Bezahlung dem Endkunden kontaktlos zugestellt.
16. Bezirk: Auf der Plattform http://www.ottakringerflaneur.com findet sich eine Liste von Ottakringer Nahversorgern und Betrieben. Unternehmer können hier selbst ihre Leistungen und Produkteonline eintragen. So finden sich hier zum Beispiel die Spenglerei Koch, die derzeit für Notfälle erreichbar ist; Luke PR bietet kostenlose Online-Strategie-Sessions und sogar der Ottakringer-Shop der Brauerei ist vertreten. Die Einträge sind nicht zwingend auf den 16. Bezirk beschränkt, sollten aber für die Ottakringer online oder zu Fuß erreichbar sein.
18. Bezirk: „Jeder Einkauf in einem Währinger Betrieb - gerade in Zeiten von Corona - hilft, das Geschäft zu erhalten, das wirtschaftliche Überleben zu sichern und die Nahversorgung und Arbeitsplätze in Währing zu erhalten", sagt Walter Seemann, Wirtschaftskammer-Bezirksobmann für Währing. Möglich macht die Einkäufe die Plattform http://www.waehringerstrasse.at.
Alle aktuellen Infos und Links zu Webshops sind dort zusammengefasst. „Durch Corona mussten wir alle Veranstaltungen und Aktionen des Einkaufsstraßenvereins absagen und versuchen nun so durch eine neue virtuelle Präsenz zumindest ein wenig durch die Krise zu helfen", erklärt Michael Richter, Obmann des Währinger Wirtschaftsvereins.
19. Bezirk: Die Einkaufsstraße Obkirchergasse informiert derzeit auf ihrer Facebook-Seite über die Geschäfte, die persönlich oder per Lieferdienst für Kunden da sind: Die Bäckerei Ströck bietet etwa Thekenverkauf. Es liefern zum Beispiel Fischer Spiele sowie die Buchhandlung und Büromarkt Stöger Geschenke via Online-Bestellung. Einen ganz besonderen Service bieten die Modegeschäfte Anziehendes und Stadtkleid: Einkaufen per Videotelefonie mit Lieferservice.
In Nussdorf haben sich die Unternehmer auf der Website nussdorfhatmehr.at zusammengeschlossen. Frisches vom Bauernhof liefert zum Beispiel Andis Bauernschmankerl. Auf Fisch und Steak von Schimanko’s Winzerhaus muss auch jetzt niemand verzichten. Außerdem übernimmt der Wirt im Zuge der Essensbestellung gerne kleinere Einkäufe für seine Kunden.
Schriftstellerin Helga Engin-Deniz liefert unterhaltsame Lektüre für dunkle Zeiten frei Haus. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. "In dieser schwierigen Situation bewähren sich vorhandene Netzwerke und Kooperationen in unseren Grätzeln", ist WK Wien Bezirksobfrau Margarete Kriz-Zwittkovits stolz.
23. Bezirk: Auf Initiative von Liesinger Unternehmen und dem WK Wien-Bezirksobmann Matthias Schiffer, haben sich ansässige Betriebe seit kurzem als Verein „Wirtschaftsinitiative WIR 23“ zusammengeschlossen. Ziel ist unter anderem der Aufbau eines professionellen Firmennetzwerks. Unter wir23.wien sind alle Betriebe gelistet, die geöffnet haben oder Waren und Dienstleistungen anbieten. Das Interesse ist groß, die Facebookseite hat bereits rund 800 Abonnenten. Interessierte Unternehmen können sich an info@wir23.wien wenden.
Auf der Seite einkaufsstrassen.at gibt es eine nach Bezirk geordnete Übersicht von diversen Grätzelinitiativen mit heimischen Online-Shops und Nahversorgern.
Kommentare