Mitgliederzuwachs: Warum Wiens Grüne im Aufwind sind

Für Wiens Grüne hat die neue Legislaturperiode gleichzeitig gut und schlecht begonnen. Gut, weil sie eine so hohe Medienpräsenz wie schon lange nicht mehr haben, was sich auch in den Mitgliederzahlen niederschlägt. Schon 2024 wurde ein Mitgliederzuwachs von 10 Prozent verzeichnet. Leicht ansteigend, gehen die Zahlen auch für das Jahr 2025 in dieselbe Richtung, heißt es auf KURIER-Anfrage.
Warum das aus Sicht der Partei aber auch schlecht ist?
Weil der derzeitige Angriffsmodus natürlich daher rührt, dass gleich zwei grüne Prestigeobjekte keine lange Lebensdauer mehr haben: Das 365-Euro-Öffiticket ist ab Jänner Geschichte. Und das „Nein“ zum Lobautunnel der damaligen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler wurde vom aktuellen Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) erst vor wenigen Tagen wieder in ein „Ja“ umgewandelt.
Die Grünen halten nun dagegen – mit Petitionen, Straßenaktionen, Pressekonferenzen. Damit geht einher, dass auch die Bekanntheit der Parteichefs Judith Pühringer und Peter Kraus steigt. Etwas, worauf sie im Sinne des Umweltschutzes wohl verzichtet hätten. Es war ihnen schon in den vergangenen fünf Jahren egal gewesen, dass man als Doppelspitze zwangsläufig Bekanntheitspunkte einbüßt.
Zusammenhalt
Im Wahlkampf musste man sich für eine Nummer 1 auf der Liste entscheiden. Wer aber auf ein bisschen Streit in einem generell sehr gesitteten Wahlkampf gehofft hatte, wurde enttäuscht. Pühringer übernahm die Poleposition, Kraus war stets an ihrer Seite oder in der ersten Reihe als ihr stärkster Befürworter. Sie streuen sich auch gegenseitig Rosen. „Ich kenne wenig Menschen, die mit so viel Klarheit, Entschlossenheit und Begeisterung wirkungsvoll Ziele erreichen können wie Peter“, sagt Pühringer. „Peter ist mit seiner Expertise im Bereich Klimaschutz und Stadtplanung schnell, klar und am Punkt und vergisst dabei nie, worum es immer geht: Um Politik, die das Leben der Menschen in Wien leichter macht.“
Kraus, der seit Juni auch im Bundesvorstand ist, bewundert an Pühringer dafür „ihren konsequenten Blick auf jene, die oft übersehen werden. Wenn in Wien über 1.000 Kinder mit Behinderung keinen Platz im Kindergarten haben, dann nimmt das Judith nicht schulterzuckend zur Kenntnis, sondern spricht es deutlich an und verlangt Veränderung.“
Wiener Eigenheit
In Wien gilt noch das Proporzsystem: Auch die Opposition stellt Stadträte – ohne Ressort, aber mit Kontrollrechten.
Nach Parteigröße
Die FPÖ stellt mit Dominik Nepp, Ulrike Nittmann und Stefan Berger drei nicht-amtsführende Stadträte, die Grünen haben mit Judith Pühringer und Peter Kraus zwei, die ÖVP hat Anrecht auf eine Stadträtin: Kasia Greco.
Die Themensetzung im Wahlkampf war schwierig, Sicherheit besetzten alle Parteien, ebenso Bildung und bei Fokus auf Wohnen war es schwer, gegen Platzhirsch Rot und auch gegen Blau Meter zu machen. Trotzdem erreichten die Grünen 14,52 Prozent und mussten nur minimale Verluste einstecken.
Sie machten sich darum durchaus auch Hoffnungen auf die Regierungsverantwortung. Pühringer wird schließlich ein gutes Verhältnis mit Bürgermeister Michael Ludwig und insbesondere auch mit Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál nachgesagt. Hinter den Kulissen gab es jedenfalls beim Thema Wohnen viel Austausch, etwa bei den sogenannten Horrorhäusern haben die Grünen Druck gemacht.
Comeback des Camps?
Kritiker sagen den Grünen oft Blauäugigkeit nach und fehlende Konzepte mit wenig Blick auf Wirtschaftlichkeit. Kraus und Pühringer würden wohl widersprechen und hätten eine Finanzierung für günstige Öffi-Tarife gefunden: weniger Straßenbauprojekte.
Die Grünen haben sich jedenfalls vorgenommen, eine laute und mutige Opposition zu sein. Vermutlich auch lauter als zuvor. Aber einiges bleibt auch gleich. Nach der Verkündung zum Lobautunnel war von einigen Funktionären zu hören: „Oje, jetzt müssen wir wieder campen gehen.“
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