Gestrüpp entfernen, Grabsteine sanieren: Verein nimmt sich Jüdischen Friedhofs an

Gestrüpp entfernen, Grabsteine sanieren: Verein nimmt sich Jüdischen Friedhofs an
Abgewittert und zugewachsen: Derzeit macht der Jüdische Friedhof Währing noch einen vernachlässigten Eindruck

„Unvergesslich.“

Die Schrift auf dem Grabstein, an dem Ahnenforscher Wolf-Erich Eckstein vorbeisteigt, ist kaum zu lesen, der Sandstein verwittert.

„Auch die Ewigkeit hat wohl ein Ende“, sagt Eckstein und seufzt, bevor er den Weg fortsetzt.

Gestrüpp entfernen, Grabsteine sanieren: Verein nimmt sich Jüdischen Friedhofs an

Wolf-Erich Eckstein ist Ahnenforscher und war bis zur Pensionierung 2014 Matrikenführer der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. 

 

Er geht vorbei an umgestürzten Granitgrabsteinen und verwitterten Sandsteingäbern. An Grabsteinen, die von umgekippten Bäumen entzwei geschlagen wurden, an anderen, die von wild emporwachsenden Eschen zur Seite geschoben oder von dichten Efeuranken und Brombeerstauden überwuchert worden sind.

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Umgekippte Bäume spalten mitunter Grabsteine.

Es ist ein verwahrloster Eindruck, den der Jüdische Friedhof Währing macht.

Noch.

Denn Jennifer Kickert und Susanne Schober-Bendixen, die gerade mit Eckstein eine Runde über den Friedhof drehen, tun ihr Bestes, das so schnell wie möglich zu ändern.

Stadtgeschichte sichtbar machen

Beide sind Gründungsmitglieder des Vereins „Rettet den Jüdischen Friedhof Währing“. Eine Initiative, die 2017 mit Ariel Muzicant, Ex-Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), sowie Günther W. Havranek ins Leben gerufen wurde und zum Ziel hat, dieses Zeugnis der Stadtgeschichte wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

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Der Friedhof, der zwischen 1784 und 1879 Hauptbegräbnisstätte für die Israelitische Kultusgemeinde war, war in der NS-Zeit enteignet und teilweise zerstört worden. Es kam zu Dutzenden  Exhumierungen. Auch nach dem Ende des 2. Weltkriegs blieb der Friedhof geschlossen, aber nicht richtig abgesperrt.

Dadurch war er immer wieder Abenteuerspielplatz für Jugendliche. „,Zum Judingern gehen’ haben sie das genannt“, sagt Susanne Schober-Bendixen, die über ihre eigene Vergangenheit zum Friedhof gekommen ist. Während einer Buchrecherche stellte sie fest, dass ihr Urururgroßvater Emanuel Redlich hier begraben liegt.

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Susanne Schober-Bendixen am Grab ihres Urururgroßvaters.

Mittlerweile gibt es zwar das Bekenntnis der Republik Österreich und der Stadt Wien, zunächst die Restaurierung auf 20 Jahre finanziell zu unterstützen sowie anschließend für ebenfalls 20 Jahre die Pflege zu übernehmen.

Der Verein „Rettet den Jüdischen Friedhof“ möchte dazu das fehlende Bindeglied sein, das den Friedhof betreut, die freiwilligen Helfer vernetzt sowie erste Vorarbeiten leistet.

Sanierungsarbeiten

In den vergangenen Monaten wurden auf diesem Weg bereits ein großer Teil des Friedhofs zwischen Währinger Park und Döblinger Hauptstraße von Laub, Ästen und Stauden befreit.

Zusätzlich organisiert der Verein aktuell einmal im Monat Führungen über das Areal und informiert Einheimische wie Besucher über Geschichtliches und berühmte Verstorbene. Denn auf dem Friedhof liegen Größen wie Mäzenin und Salonière Fanny von Arnstein oder Gustav Ritter von Epstein begraben.

 

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Das Grab von Fanny von Arnstein und ihrer Familie. Es fehlt das Grab von ihrem Mann Nathan Adam Arnsetin, das in der NS-Zeit exhumiert wurde.

Auch Bankier Hermann Todesco oder die adelige Familie Schey (die einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Wiener Ringstraße leistete) fanden hier ihre letzte Ruhestätte.

„Das habe ich bei meinem ersten Besuch vor neun Jahren kaum glauben können“, sagt Jennifer Kickert, nachdem das hintere, noch verwachsenere Ende des Friedhofs erreicht worden ist, „dass hier so viele Personen leben, die das Wien, das ich kenne, geprägt haben – und ich nichts davon gewusst habe.“

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Jennifer Kickert hilft mit, den Jüdischen Friedhof zu sanieren

Ziel ist es für die grüne Gemeinderätin dabei nicht nur, das Areal für Besucher und Touristen zu öffnen, sondern auch Lernräume zu schaffen. „Ich fände es schön, wenn einmal Schülerprojektwochen hier abgehalten werden.“

An welchen Zeitraum denkt sie dabei? Sie seufzt: „Ich fürchte, das wird wohl noch einmal zehn Jahre dauern.“

Info zu Führungen und Freiwilligenarbeit

Offen ist der Friedhof jeden zweiten Sonntag im Monat (mit Ausnahme jüdische Feiertage), jeweils von 10 bis 16 Uhr, das nächste Mal am 10. März.

Wer helfen möchte, kann einfach vorbeikommen.

Wer an einer Führung teilnehmen möchte - diese finden um 11 und um 13 Uhr statt -  sollte sich unter office@jued-friedhof18.at anmelden. Kostenbeitrag: 8 Euro.

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