Was in Salzburg mit dem Porsche-Tunnel unter dem Kapuzinerberg heiß diskutiert wird, existiert mitten in Wien seit 35 Jahren. Und was das Ganze mit dem Bawag-Skandal zu tun hat.
Es ist eines dieser toten Augen der Stadt, die einen stumm anblaffen. Ein schwarzes Garagentor, billig ornamentiert, zu billig und eng eigentlich für die protzigen SUVs, die sich durchzwängen müssen.
Die vergilbten Schilder warnen eindringlich und mehrfach: „Hier wird abgeschleppt!“, „Ausfahrt freihalten!“. Eine Parkverbotstafel markiert zusätzlich den Leerraum auf dem historischen Pflaster. Alles schreit: „Geht weg, es gibt nichts zu sehen!“
Es ist nur scheinbar eine von Tausenden wesenlosen Einfahrten Wiens. Niemand kann ahnen, dass sich hinter diesem Eisentor am malerischen Hafnersteig mitten im Herzen Wiens – nur einen Steinwurf vom Eissalon am Schwedenplatz entfernt – nicht bloß ein Garagenplatz verbirgt, sondern ein gut gehütetes Geheimnis, das Jahrzehnte überdauert hat. Denn es handelt sich um das Tor zu einem Privattunnel, der vor 35 Jahren errichtet wurde – und damit den Bogen spannt zum aktuell höchst umstrittenen Porsche-Privattunnel unter dem Salzburger Kapuzinerberg.
Dem KURIER gelang es, dieses Geheimnis – das selbst den Aufdeckern des Bawag-Skandals verborgen blieb – zu lüften. Denn dies ist auch eine Geschichte über Bonzentum und Privilegien im Roten Wien.
Wir schreiben das Jahr 1989: Im Februar stirbt Thomas Bernhard, im April wird Thomas Muster in Key Biscayne von einem betrunkenen Autofahrer schwer verletzt, im November fällt die Berliner Mauer.
Und im Wien des Helmut Zilk bekommt die Gewerkschaftsbank Bawag die Baugenehmigung für den Umbau des Objekts Fleischmarkt 1, das Jahrzehnte später ob der opulenten Penthäuser Schlagzeilen machen wird. In diese ziehen der damalige Bawag-Chef Walter Flöttl und ÖGB-Boss Fritz Verzetnitsch ein. Zum Spottpreis.
Doch das luxuriöse Domizil in grünspangrüner Optik hat einen Haken: Der glanzvolle Lift würde einen zwar bequem in die Tiefgarage bringen – allein, bei der Ausfahrt spießt es sich. Eine bekannte Persönlichkeit aus der Immobilienbranche schildert unter Zusicherung ihrer Anonymität im Detail, wie das seinerzeit gelaufen ist.
„Zuerst wollte Flöttl die Griechengasse per Schranken absperren und damit zur Privatstraße erklären, um so ausfahren zu können. Doch wir Anrainer haben uns gewehrt.“ Erfolgreich. Flöttl brauchte einen Plan B – und ersann eine „wahnwitzige Idee, die er mit willfährigen Beamten umsetzen konnte. Etwas, das heutzutage absolut unmöglich wäre“, berichtet der Insider.
Rund 100 Meter Luftlinie vom Eingang am Fleischmarkt befindet sich der oben erwähnte Hafnersteig. Für die hauseigene Tiefgarage ist der Niveauunterschied äußerst günstig – es fehlt freilich die Verbindung dorthin. Und die schafft man, indem die Griechengasse untertunnelt und somit eine direkte und schnelle Zufahrt vom Schwedenplatz bis zur Tiefgarage am Fleischmarkt geschaffen wird.
Da das dazwischenliegende Haus Griechengasse 4 (der denkmalgeschützte Steyrerhof beherbergt die Kammerspiele) praktischerweise auch der Bawag gehört, reicht letztlich ein Servitut der Stadt Wien auf rund 50 Metern unter der Griechengasse, um dieses schier unglaubliche Projekt zu verwirklichen.
Apropos historische Bausubstanz: „Man hat sich auch nichts gepfiffen und ist durch die römischen Fundamente durchgefräst“, berichtet der Informant und Augenzeuge. 1991 war dann alles erledigt: der gesamte Komplex auf Geheiß der Bawag-Bonzen durch Architekt Harry Glück umgebaut, der Privattunnel für die später so titulierten „Penthouse-Sozialisten“ fertig. Der Tunnel ist übrigens nach wie vor in Betrieb.
Nicole Nestler, Sprecherin der Baupolizei, bestätigt, dass aktuell 38 Garagenstellplätze bewilligt seien. Die Garagenzufahrt vom Hafnersteig „unter öffentlichem Grund ist im Eigentum der Gebäudeeigentümerin“. Wiewohl die Causa sehr lange zurückliegt, lässt sich sagen: „Die Bewilligung für diese Garagenzufahrt konnte erteilt werden, weil die zuständige grundverwaltende Dienststelle (MA 28) der Errichtung dieser Zufahrt zugestimmt hat.“
Die Penthäuser am Fleischmarkt 1 wurden von Ex-Bawag-Chef Walter Flöttl ( 2009) und Ex-ÖGB-Boss Fritz Verzetnitsch ( 2024) bewohnt. Letzterer zahlte für 200 m² nur rund 1.200 Euro Miete, Flöttl erwarb sein 601-m²-Domizil für bloß rund 600.000 Euro
Penthouse-Sozialismus wurde darob zum „Wort des Jahres 2006“
Der Bawag-Skandal flog Ende 2005 als eine der größten Finanzaffären Österreichs auf – u. a. wegen misslungener Karibikgeschäfte von Flöttl-Sohn Wolfgang. Bawag-General Helmut Elsner ( 2022) wurde zu mehrjähriger Haft verurteilt
Eigentümerin des Objekts ist nach dem Bawag-Absturz seit 2010 die Wlaschek-Privatstiftung Amisola, die wegen der „Privatsphäre der Mieter“ dem KURIER leider keine Einblicke in den Privattunnel geben möchte. Die Garage stehe auch nur den Mietern zur Verfügung. Nur so viel: „Die Einfahrt führt über öffentliches Gut (Griechengasse). Die dafür erforderlichen Bewilligungen liegen vor, die entsprechenden Abgaben werden geleistet.“
Was so ein Privattunnel damals gekostet hat (und heute laufend an Abgaben und Betrieb kostet), bleibt also ungewiss. Hannes Swoboda, damals SPÖ-Planungsstadtrat, kann sich an diese Sache „leider überhaupt nicht erinnern“. Der Raumplaner und Glück-Experte Reinhard Seiß wäre gerne mit Originalplänen des Tunnels behilflich gewesen, allerdings: „Architekt Glück hat sein Büro Anfang der 1990er verkauft – später sind alle seine Pläne in der Versenkung verschwunden.“
Wer sich jetzt dunkel an eine zweite Auffälligkeit beim ominösen Haus am Fleischmarkt erinnert, der liegt goldrichtig. Denn hoch oben in der Dachlandschaft befindet sich ja auch ein großer Swimmingpool, der nur bewilligt wurde, weil er als Löschteich deklariert war. Doch dieser absurd anmutende Trick hatte ein reales Vorbild. Hier habe Glück seine Erfahrungen vom Wohnpark Alterlaa der 1970er-Jahre eingebracht, wo der große Dachpool ebenfalls als Löschteich definiert wurde, „weil ein Löschteich damals bei Hochhäusern sogar Pflicht war“, berichtet Seiß.
Und deshalb durften Flöttl und Verzetnitsch später unter zweifelhafter Optik in der Wiener City baden gehen.
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