Streit um Gastpatienten spitzt sich zu: Welches Bundesland wen versorgt

Die Diskussionen rund um Gastpatienten ging am Dienstag in die nächste Runde. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erneuerte in einem Gespräch mit Heute seine Forderung nach einer Gesundheitsregion Ost.
Wie berichtet wähnt sich Wien in einer schlechteren Position, weil in der Hauptstadt so viele Personen aus anderen Bundesländern behandelt werden. Dadurch entstehe ein finanzieller Nachteil, wie Ludwig nun auch gegenüber dem KURIER mit Zahlen untermauert: Wien müsse 610 Millionen Euro im Jahr für Gastpatientinnen und Gastpatienten selbst finanzieren. Das sei jener Betrag, der nach Abzug der Finanzausgleichsmittel immer noch übrig bliebe.
Während in der Hauptstadt 40 Prozent aller Gastpatienten in Österreich behandelt würden, seien nur acht Prozent aller Gastpatienten in Österreich Wiener. Die Aufschlüsselung der Gastpatienten in Wien ist dabei auch interessant: 80 Prozent stammen aus Niederösterreich, 12 Prozent aus dem Burgenland.
Verflechtung
„Die Bevölkerung in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ist so eng miteinander verflochten, dass auch die öffentlichen Verkehrsmittel gemeinsam geplant werden“, sagt darum Ludwig. „Nach diesem Vorbild schlagen wir vor, auch die Gesundheitsversorgung gemeinsam zu planen, denn diese Herausforderung kann nur im Miteinander gelingen.“

Einer gemeinsamen Planung kann auch Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) viel abgewinnen. „Derzeit gibt es in jedem Bundesland einen sogenannten Landesgesundheitsfonds. Dieser finanziert, steuert und plant das Gesundheitswesen – seine Zuständigkeit endet an der Landesgrenze“, erklärt Czypionka. „Gäbe es einen Verbund oder Fonds für alle Bundesländer im Osten, würde die Planung und Steuerung überregional laufen.“ Vor 20 Jahren hätte es bereits die Möglichkeit gegeben, einen Gesundheitsfonds für mehr als ein Bundesland zu gründen, „man hat diesen Weg aber wieder verlassen“.
Es sei ihm wichtig, zu betonen, dass jeder Mensch die beste Gesundheitsversorgung verdient, unabhängig von der Postleitzahl am Meldezettel, so Ludwig. „Ich strecke die Hand erneut aus. Setzen wir uns alle an einen Tisch und sorgen dafür, dass eine Ost-Region eine gemeinsame Gesundheitsversorgung plant.“
Damit könne man auch zu einem Role Model für andere Regionen werden, sagt Ludwig. In anderen Bundesländern wie Salzburg und Tirol würden die finanziellen Mehrbelastungen durch Gastpatienten ebenfalls weiter steigen.

Im Burgenland und Niederösterreich wertet man den neuerlichen Vorstoß allerdings nicht als ausgestreckte Hand – eher als das Gegenteil.
Zweifel an Kosten
„Wien stellt die Versorgung burgenländischer Patientinnen und Patienten einseitig infrage – und das, obwohl jährlich über 27 Prozent unseres Anteils aus dem Finanzausgleich vorab direkt nach Wien fließen. Damit bekommt Wien mehr für Gastpatienten und das Burgenland sogar weniger als uns zusteht“, zeigt sich Klubobmann Roland Fürst (SPÖ) erbost. Er, und auch die ÖVP Niederösterreich, zweifeln an den vorgelegten Kosten. „Das ist für uns nicht nachvollziehbar und nicht überprüfbar“, sagt Fürst. Den betroffenen Patientinnen und Patienten sicherte er rechtlichen Beistand zu. Fälle würden über den Patientenanwalt gesammelt.

Zudem wolle man das burgenländische öffentliche Gesundheitssystem „massiv ausbauen“, wie Fürst sagt – mit dem Ziel, von anderen Bundesländern noch unabhängiger zu werden.
Bei der ÖVP Niederösterreich stellte man die Teamfähigkeit Wiens infrage: Die Zusammenarbeit mit dem Burgenland, der Steiermark oder Oberösterreich funktioniert nach dem Modell des Finanzausgleichs bereits seit Jahren. „Nur die Stadt Wien und speziell Stadtrat Peter Hacker wollen es scheinbar nicht verstehen.“
Auch Kritik aus Wien
Gegenwind bekommt Ludwig im Übrigen auch aus der eigenen Stadt. „Ludwig muss zuerst vor der eigenen Haustüre kehren und die Wiener Stadtspitäler professionell führen“, ließ ÖVP-Parteiobmann Markus Figl verlauten und forderte er eine Reform des Wiener Gesundheitsverbunds (WIGEV). Zudem könne er nicht nachvollziehen, warum Ludwig dem Finanzausgleich zugestimmt habe, obwohl dieser laut ihm so nachteilig für Wien sei.
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