Freispruch für Krankenhaus

Hans-Jürgen Rehberger, der Vater der toten Kirstin im KURIER: "Das Recht wird hier gebogen"
Gutachten: Kirstin Rehberger ist nicht an einem Kunstfehler gestorben.

Es bleibt, wie es immer war: Eine Patientin ist tot, im Turnusarzt ist schnell ein Schuldiger gefunden, macht 6300 Euro Geldstrafe (nicht rechtskräftig). Das Spital, in dem laut Gutachten unter den Ärzten "dürftiges Wissen" über Schmerztherapie und Nebenwirkungen herrschte und man es mit der Überwachung frisch Operierter nicht so genau nahm, ist endgültig aus dem Schneider.

Gutachten

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat die Berufung gegen den Freispruch des Krankenhauses Göttlicher Heiland vom Vorwurf, den Tod der 23-jährigen Kirstin Rehberger durch Organisationsmängel verschuldet zu haben, zurückgezogen. Die Studentin hatte sich am 28. November 2008 einem angeblichen Routineeingriff an ihren schmerzhaften Plattfüßen unterzogen. Sie war laut Gutachten mit einer Überdosis Schmerzmitteln regelrecht vergiftet worden.

Totes Recht

Die Kritik der Sachverständigen für Anästhesie, Sylvia Fitzal, an der fehlenden Aufmerksamkeit im Spital reichte der Richterin nicht für eine Verurteilung. Eine Geldbuße wäre möglich gewesen. Es wäre das erste Mal gewesen, seit das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz in Kraft ist (2006), dass ein Spital strafrechtlich in die Pflicht genommen wird. Mit dem rechtskräftigen Freispruch ist das Gesetz endgültig totes Recht.

Hans-Jürgen Rehberger, der Vater der toten Kirstin, sagt im KURIER-Gespräch: "Das Recht wird hier gebogen. Es bringt uns unsere Tochter nicht zurück, aber es sollte schuldhaftes Verhalten festgestellt werden. Es kann ja jeden treffen. Wenn das Spital gesagt hätte: Ja, wir haben gefehlt, aber wir werden das jetzt verbessern. Aber die haben vollmundig gesagt, sie hätten eh alles richtig gemacht."

Der gebrochene Vater wird nie den Schlusssatz der Staatsanwältin vergessen: "Wenn einer bei Rot über die Kreuzung geht und andere tun das auch, heißt das noch lang nicht, dass es richtig ist." Dass andere Spitäler auch so ein System bei der postoperativen Behandlung haben, "heißt ja nicht, dass es richtig war. Aber solang nichts passiert ..."

Ignoranz

Die Eltern können einfach nicht verstehen, dass ein kerngesundes Mädchen mit 23 Jahren durch so etwas stirbt. "Dinge passieren, ja gut, aber das war reine Schlampigkeit oder besser gesagt Ignoranz", sagt der Vater: "Da wurde vor Publikum gesagt: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und wir saßen im Gerichtssaal und haben das mitangehört."

Der Anwalt der Eltern, Sebastian Lesigang, erwägt eine Anregung an die Generalprokuratur, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes einzubringen.

Ein Todesfall im Spital Hietzing vom vergangenen September und ein weiterer im AKH Anfang Jänner sorgen derzeit für Aufregung. Ein aktueller Bericht unter dem Titel "Totaufnahme" im profil spricht von "Engpässen im Gesundheitssystem". So war im ersten Fall keine Herz-Lungen-Maschine frei und im zweiten war der Gefäßchirurg gerade bei einer Transplantation. Der 62-jährige Patient wurde deshalb ins Wilhelminenspital überstellt, wo er Tage später an Multiorganversagen starb.

Laut profil erkläre Ferdinand Mühlbacher, Leiter der Chirurgie, dass es so hohe Auslastungen und Probleme mindestens zwei Mal pro Woche gibt.

Offener Brief

14 Spitzenmediziner des AKH, darunter der ärztliche Direktor Reinhard Krepler, protestierten in einem offenen Brief gegen "eine Boulevardberichterstattung". "In diesem Artikel werden vielfach Fakten aus dem Zusammenhang gerissen oder bewusst einseitig interpretiert, zutiefst subjektive Wahrnehmungen als objektive Fakten dargestellt und Statistiken zu Fallzahlen in den Ambulanzen wider besseren Wissens irreführend aufbereitet", heißt es in dem offenen Brief.

Der Krankenanstaltenverbund (KAV) dementiert ebenfalls Mängel bei der Notversorgung. Die Todesfälle seien eingehend auf allfälliges Fehlverhalten überprüft worden, die mit den betreffenden Patienten befassten Mediziner hätten jeweils eindeutig lege artis gehandelt, erklärte eine Sprecherin.

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