Foodora und Lieferando bringen Wiener Wirte zum Kochen

Ein Foodora-Zusteller
Gut 60 Gastronomen, die nicht genannt werden möchten, beschweren sich bei Kanzler Nehammer über die Lieferdienste. Den Branchensprecher freut das ganz und gar nicht.
Von Uwe Mauch

In einem offenen Brief beschweren sich laut Standard mehr als sechzig Wiener Gastronomen über die beiden Plattformen Foodora und Lieferando. Von denen fühlen sie sich erpresst: Hätten sie den Essenszustellern während Corona vier Prozent Provision bezahlt, sei diese auf bis zu 35 Prozent hochgeschnalzt, rechnet ein Wirt vor, der sich wie alle anderen Unterzeichner nicht outen möchte.

In einem offenen Brief an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und weitere Regierungsmitglieder fordern die Unterzeichner Unterstützung. Um sich Gehör zu verschaffen, überlegen Betriebe, zeitweise kein Essen mehr zustellen zu lassen. Sie rechnen mit breiter Unterstützung aus der Branche.

Wenig amüsiert über dieses Vorgehen zeigt sich zunächst Peter Dobcak, der Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien: "Diese Aktion war mit mir leider nicht abgesprochen. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, wer dahinter steckt."

Auch inhaltlich kann der erfahrene Wirt seinen Kollegen und Kolleginnen nur zum Teil folgen: "Nüchtern betrachtet handelt es sich hier um zwei gewinnorientierte Seiten." Als Fachgruppensprecher könne er daher den Lieferdiensten nicht vorschreiben, "wie sie ihre Kalkulation gestalten müssen".

Foodora und Lieferando bringen Wiener Wirte zum Kochen

Dobcak macht in der am Mittwoch entflammten Diskussion auch auf eine dritte betroffene Gruppe aufmerksam: "Das sind die Boten der Lieferdienste, die völlig zu Recht auf eine bessere Entlohnung pochen."

Würde man sie fair bezahlen, würden die Kosten noch weiter steigen. Aus Erfahrung erklärt der Wirt: "Die Extra-Kosten müssten erst recht wieder wir bzw. unsere Gäste bezahlen."

Die Dienste: Foodora und Lieferando sind die beiden größten Zustelldienste in Österreich, sie sind in mehreren Städten aktiv. In Wien gibt es mit Wolt noch einen dritten Anbieter.

Die Boten: Bei Lieferando gibt es rund 1.000 Boten, die alle nach dem Kollektivvertrag angestellt sind. Bei Foodora sind ungefähr 150 Fahrer nach dem KV angestellt, die große Mehrheit der insgesamt rund 3.000 Rider erhält ihre Aufträge als freie Dienstnehmer. Bei Wolt gibt es nur freie Dienstnehmer und Selbstständige.

"Sperre ich lieber zu"

Der Gastronomiesprecher rät seiner Kollegenschaft, in der Zusammenarbeit mit den Lieferdiensten auf der Hut zu sein: "Es zeigt sich jetzt, dass diejenigen, die sich sehr abhängig gemacht haben, das jetzt logischerweise mehr zu spüren bekommen."

Noch deutlicher die Ansage seines Salzburger Kollegen, Sepp Schellhorn, der für die Neos im Nationalrat sitzt: "Bevor ich mit Lieferdiensten zusammenarbeite, sperre ich lieber zu."

Die Antwort auf die Frage, ob er den anonym vorgetragenen öffentlichen Protest unterstützen wird, beantwortet Peter Dobcak hörbar verschnupft: "Wenn sie was wollen, werden sie zu mir kommen."

Der grundsätzlichen Kritik könne er aber etwas abgewinnen: Speziell "ominöse Servicepauschalen", "Wucherpreise" für Verpackungen, die man für die Zustellung verwenden müsse, sowie Strafandrohungen von Foodora erhitzen dem Vernehmen nach die Gemüter der Gastronomen.

"Übrigens machen wir damit Verlust"

Eine Sprecherin von Foodora beteuert, dass man maximal 30 Prozent Provision verlangt. Alle Kosten wären klar und transparent. Dass die Plattform den Gastronomen Strafen androht, möchte sie scharf zurückweisen.

Oliver Klug von Lieferando kritisiert auf KURIER-Anfrage zunächst, dass in dem Brief - anders als im Standard dargestellt - sein Arbeitgeber weder erwähnt noch kritisiert wird. Bei Lieferando gibt es laut Klug eine durchschnittliche Provision von 13 Prozent pro Bestellung, 17 Prozent zusätzlich fielen nur dann an, wenn die gesamte Logistik an Lieferando ausgelagert werde. "Übrigens machen wir damit Verlust, zugunsten der Restaurants und der kollektivvertraglich vereinbarten fairen Löhne unserer Boten."

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